Ich liebe pikantes Essen. Mein Lieblingsgeschmack ist Umami. Das ist zwar für die Zunge definiert, aber ich mag auch den Geruch nach würzigen, fleischigen, währschaften Speisen. Zum Beispiel Wurstsalat. Meine Bezeichnung dafür ist „mampfig“.
(Bild: Schweizer Wurstsalat vor der Zubereitung)
Doch man kann mir die Freude daran vergällen. Heute erlebe ich in diesem Zusammenhang den olfaktorischen Supergau.
Es ist stickig. Die Luftfeuchtigkeit tendiert zu 80 Prozent und mehr. Im Haus. Also Fenster öffnen. Doch auch die Bauern, gerade die Bauern, sind punkto Wetter auf dem Laufenden und wissen: es wird regnen diese Nacht. Einen besseren und vor allem legaleren Moment, um Abfallentsorgung zu betreiben, gibt es nicht. Die Bauern nennen es Düngen. Man kann es in der Schweiz ganz allgemein „Güllnen“ nennen. Der Fachbegriff ist wohl „Jauche austragen“. Ich persönlich nenne es „Zumutung“, wenn auch eine staatlich geförderte.
Nun denn, es gibt Wurstsalat zum z’Nacht. Ohne Bauern und deren Arbeit eine Unmöglichkeit. Ich will nachsichtig sein.
Ich gehe in die Küche, wo mich ein Duft empfängt, der mich eigentümlich an essigsaure Tonerde erinnert, etwas, das mich durch die Kindheit begleitet hat und absolut nichts in meiner Küche zu suchen hat. Wie ein Spürhund erschnuppere ich die Duftspur, die mich zum Küchentisch führt. Die Pfingstrosen sind es – wer hätte das gedacht? -, direkt aus dem eigenen Garten geerntet. 7.50 Fr. gespart gegenüber dem Angebot beim Detaillisten. Draussen wären die Blüten „verpflätteret“, wie man bei uns sagt. Wegen des Regens (bei uns eigentlich ohne Genitiv). Aber weshalb riechen Pfingstrosen nach essigsaurer Tonerde?
Okay, denke ich, Gülle plus Pfingstrosen plus die vorgewitterliche Schwüle plus Wurstsalat gleich Schweizersommer und setze mich erwartungsvoll an den Tisch. Zusammen mit der Fertigstellung des Wurstsalats – einem helvetischen Spitzenprodukt aus in echten Rinderdärmen (aus Paraguay, siehe auch „Cervelatkrise“) abgefüllten, gut gelagerten Cervelats, hiesigem Käse und glücklichen, beim Waschen liebevoll gestreichelten Salatblättern an einer mayonnaise-lastigen Sauce *) – geht die Klappe des Backofens auf. Nicht durch meine Hand.
Ein Dänischer Butterkuchen, der einfachste Kuchen der Welt (1kg Butter, 1kg Dänischer Zucker, 1 kg Mehl, 1kg Eier, 1kg Backpulver, 1kg Milch, 1kg Kokosraspel) ist gerade am Punkt angelangt, da sich Zucker beim Karamellisieren an der Grenze zum Verkohlen befindet. Also muss er aus dem Ofen genommen werden, der Kuchen. Das geht natürlich nicht ohne Geruchsemissionen. Also durchmischen sich Karamell-Mehl-Butter-Eier-Kokos-Düfte mit Gülle, Schweizer Schwüle, essigsaurer Tonerde und dem unvergleichlich mampfigen Wurstsalataroma zu einer Geruchsbombe, die mir fast die Sprache verschlägt.
Aber nur fast. Sonst hätte ich nicht so viele Worte darüber verlieren können.
*) Der helvetische Wurstsalat ist absolut nicht Europa kompatibel, respektive umgekehrt. Ausländische Wurstsalate werden bei uns als geraffelte (siehe Original Rösti-Raffel!) oder gehobelte Lionerwurst an Joghurt-Dressing wahrgenommen.
Bildcredits: By Schofför (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons