Weltbuchtag

 

Revolution – und sie dreht sich doch, die Welt und mit ihr die jungen Leute, die sie bevölkern. Doch drehen sich die Kids, die Teenies und die Unter-30-Jährigen wie die Welt vor allem um sich selbst?

Traue keinem über 30! Oder ist es gerade umgekehrt?

 

Zwei Blogs zum Thema Revolution – "Wir sind nicht die Revolution" und die Antwort von Alice Gabathuler darauf, sowiedie Erzählung meines Kumpels haben mich beschäftigt.

 

Die verallgemeinernden Wir-Ihr-Die-Formen entsprechen durchaus gängiger Praxis, was sie deswegen noch lange nicht differenzierter macht!

 

 

Zwei an sich zusammenhanglose Dinge:

 

Eins:

Ein Mann (Anfang 60) spricht meinen Kumpel (Mitte 30) darauf an, dass die heutigen Kinder und Jugendlichen sich nicht mehr richtig beschäftigen, dafür nur noch sinnlos an elektronischen Geräten herumdrücken.

Die Antwort meines Kumpels: „Das sind genau die Geräte, die Ihre Generation erfunden hat und von Ihren eigenen Kindern für Ihre Grosskinder gekauft werden.“

 

Zwei:

Noch immer wird darüber gegrübelt, warum die „Masseinwanderungsinitiative“ angenommen worden ist. Endlich die Erklärung: Die Jungen sind schuld. Nur 17% sollen überhaupt abgestimmt haben – so die VOX-Analyse der GfS (Sie ist schnell als unrichtig entlarvt worden. Hier die Stellungnahme von GfS).

 

 

Was die beiden Dinge gemeinsam haben:

 

Es sind beides Fehleinschätzungen. Punkt!

(Also mein Kumpel hat natürlich recht! Nicht, dass Sie mir da noch etwas durcheinanderbringen!)

 

Und …

 

den Jungen wird ein Vorwurf gemacht.

 

In beiden Fällen geht es um die inaktive Jugend, beziehungsweise die Jugend, die in den „falschen“ Dingen aktiv ist und sich an der Gemeinschaft nicht beteiligt – anders gesagt, sich von ihr abgrenzt, was sie schon immer getan hat, die Jugend. Neu ist allerdings, dass ein Teil der Jugendlichen regelrecht zur Gleichgültigkeit erzogen worden ist.

 

Ist die Politik tatsächlich daran interessiert, dass die Jungen abstimmen gehen, hinter ihren Smartphones und anderen multitaskfähigen Geräten hervorkommen, aus ihren Schneckenhäuschen heraustreten und die Welt verändern oder zumindest ihr Quartier, ihre Dorf, ihre Agglo? (Das ist natürlich, Sie haben es gemerkt, eine ziemlich öde, rhetorische Frage, ganz im Stil von knapp 50-Jährigen, zu denen ich nun mal gehöre. Ich erspare Ihnen die Antwort. Das wäre zu billig (GRINS! – Achtung (Selbst-)Ironie! Achtung Satire! – ZWINKER!). Und sind die Jungen tatsächlich so gleichgültig oder ist das nur ein Märchen?

 

 

Also nochmal im Klartext:

 

Jungen (und anderen) Leuten wird – ich unterstelle das mal – systematisch und gezielt Ablenkung geboten mit dem Ziel, dass sie nicht partizipieren. Ablenken, zudröhnen, einlullen, auf Konsum konditionieren. Wie passend, dass man den Jungen aus ihrem Verhalten dann auch noch einen Vorwurf machen kann. Wie passend, dass sich die doch partizipierenden Jungen gleich selber Vorwürfe machen.

 

Ich behaupte, diese "Stigmatisierung" der Jungen funktioniert sogar, obwohl die Umfrageergebnisse nicht wahr sind. Fakt ist nämlich, dass bei den allermeisten Abstimmungen die Stimmbeteiligung unter 50% liegt und das nicht nur bei den Jungen. In unserem Land verzichtet die Mehrheit regelmässig auf ihre demokratischen Rechte. Dass dahinter ein System steckt, das die Bürgerinnen und Bürger bewusst demokratiemüde macht, kann ich nicht belegen. Ich kann mich aber des Eindrucks nicht erwehren – etwas geschliffen ausgedrückt. (Ich baue manchmal ein paar Hürden in meine Blogs, damit sie von den richtigen Leuten gelesen werden.)

 

Welcher Eindruck wird in ein paar Monaten überwiegen?

 

a)

Die Jungen haben die Masseneinwanderungsinitiative zu wenig deutlich und vor allem in zu geringer Anzahl abgelehnt – selber schuld, wenn Studienaustauschprogramme gestrichen worden sind.

 

b)

Umfrageergebnissen sollte man grundsätzlich nicht trauen – selber schuld, wenn Expertenmeinungen nicht mehr gefragt sind.

 

 

 

Schluss:

 

Die Jungen können gar nicht anders, als eines Tages doch zu partizipieren. (Das haben wir schliesslich auch getan.) Spätestens dann, wenn wir (50-Jährige) endgültig zu den Alten zählen. Dann müssen nämlich die, in der Blüte ihres Lebens stehenden, ehemaligen Jungen den Sozialstaat finanzieren – oder umkrempeln.

 

Oder werden wir dann (Mitte 80) immer noch so blöd sein und ihnen die Arbeit abnehmen?

 

 revolution

 

 

Photo credits: byronv2 auf Flickr

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.