Als Selbstversuch schalte ich am Weihnachtsabend den Fernseher ein. Hier ein (unvollständiger) Bericht:
Ich weiss nicht wie, ich weiss nicht warum, aber irgendwie treffen sich Sissi und Aschenbrödel zufällig vor dem Schoss des Kleinen Lords. Am Anfang ist das ganz okay. Schliesslich haben die Beiden viel Gemeinsames: böse Schwiegermütter (bzw. Stiefmütter), lächerlich kleine, viel zu enge Schuhe, nachkolorierte übertrieben rote Lippen und diese bürgerliche Bodenständigkeit, wenn sie sich den Bierschaum von den Lippen wischen oder diese Leichtigkeit, wenn sie einen geschützten Greifvogel vom Himmel ballern. Und beide haben natürlich einen Prinzen, in den sie unsterblich, irgendwie auch unglücklich verliebt sind.
Also geht die Vergleicherei los, Prinz vs. Prinz, welcher schöner, reicher, nobler, usw. ist, und die Frischverliebten verwandeln sich in stutenbissige Furien. Aschenbrödel schmeisst mit Haselnüssen. Wegen der limitierten Anzahl geht ihr schnell die Munition aus. Sissi versucht nochmal den Trick mit der Angelrute, verheddert sich aber mit dem Haken im eigenen Kleid. Wie aus dem Nichts eilen fünf Gräfinnen in violetten oder braunen Rauschekleidern herbei, schauen ganz ernst, wippen mit den Köpfen und versuchen Sissi zu beschwichtigen sowie Aschenbrödel auf Distanz zu halten.
Die Kontrahentinnen denken nicht daran, sich beruhigen oder abhalten zu lassen und gehen in den In-Fight. Hier kommt die bereits erwähnte bürgerliche Bodenständigkeit zur vollen Geltung und das ganze Arsenal an ordinären Beleidigungen zum Einsatz. Das ist der Moment, in dem
Sissi und Aschenbrödel hätten sich punkto Fluchen auf ein Patt einigen können und die Sache auf sich beruhen lassen, hätte nicht dieser Satansbraten mit dem blonden Pagenschnitt von oben aus dem Turmzimmer durchs Fenster gerufen: Er würde wenn schon, denn schon das Aschenbrödel nehmen. Er habe eine Vorliebe für Frauen aus dem Ostblock, obwohl so eine aus Bayern auch nicht zu verachten sei, sofern sie ein fesches Dirndl trage. Darauf fahre er voll ab, wenn die das auch ausfüllen könne, was man von Sissi nun wirklich nicht behaupten könne. Ausserdem habe er‘s gern ein wenig schmutzig; da sei Aschenbrödel genau die Richtige für ihn.
Sofort sind sich Sissi, Aschenbrödel und die fünf Gräfinnen einig, dass man diesem machoiden Möchtegern eine Lektion erteilen soll, die er seiner Lebtage nicht vergessen wird. Sie drohen ihm, sein schwarz-weiss geflecktes Pony anzuzünden, sollte er sich nicht freiwillig in allen Social Media demütigen lassen. Daraufhin flimmert
Der Kleine Lord stürmt mit einem Holzschwert bewaffnet aus dem Haus und hetzt die Hunde von Baskerville, welche der Lord von Schloss Dartmoor über Weihnachten beim Earl von Dorincourt in Pflege gegeben hat, auf die Damen los. Bevor sie zerfleischt werden, springt Kiddo, „die Braut“, mit diesem unendlich langen, fast schwebenden Kung-Fu-Sprung über die Schlossmauer. Sie trägt den gelb-schwarzen Trainingsanzug, den sie Bruce Lee gestohlen hat, zückt ihr Samuraischwert und richtet unter den Hunden ein Blutbad an.
Nun schwenkt ein verzweifelter Zuschauer die weisse Fahne. Darauf steht „No zu No-Billag“. Er wird gnadenlos von einer tieffliegenden Messerschmitt niedergemäht, die eine etwas kellerverstaubte Reichskriegsflagge hinter sich herzieht. Wie auf das Zeichen eines vollkommen durchgeknallten Regisseurs zieht die ganze Bande ab und verschwindet in Erdlöchern, die vorher noch nicht da gewesen sind.
Zurück bleiben Sissi, das Aschenbrödel und der Kleine Lord, die irgendwie einsam zwischen abgetrennten Körperteilen stehen. Der Kampf hat sie geeint. Ein Pastor tritt aus der Schlosskapelle und fordert sie auf, sich den weihnachtlichen Friedensgruss zu geben. Alle reichen sich die Hände und Sissi frohlockt: „Ich bin guter Hoffnung.“
Nun übernimmt die „Glanz und Gloria“ Moderatorin und vergleicht Ultraschallbildchen von blaublütigen Embryonen. Das wird mir dann doch zu gruslig und ich breche den Selbstversuch ab.
Bildcredits: RaphaelaTheTurtle auf deviantart (Lizenz: CC BY-NC-ND 3.0)