Das Oktoberfest ist im September
Viel Statistisches kann man erfahren, wenn das Oktoberfest startet. Hier der Südkurier mit einer Liste. Wer wem was abschreibt kann ich nicht überprüfen. Ich nehme mal an, die Zahlen stimmen. Aber darum geht’s ja nicht. Denn ich gehe nicht aus statistischen Gründen ans Oktoberfest. Ich gehe überhaupt nicht ans Oktoberfest und auch das nicht der Statistik wegen. Ich könnte gehen, selbst wenn ich nicht nach München fahren möchte, denn das Oktoberfest ist heute überall: im Hauptbahnhof, in der Bierhalle um die Ecke, im Löwensaal, … – dekoriert in patriotischem Weiss-Blau, der Oktoberfarbe auch der Schweizerinnen und Schweizer. Aber, wie gesagt, ich gehe nicht. Denn das Oktoberfest ist im September.
Der Zeit voraus oder hinterher?
Ich bin da ein wenig eigen. Ich mag keine Anachronismen. Das Oktoberfest ist im September. Zu früh! Und das nicht etwa, weil es wie Ostern ein bewegliches Fest ist, das sich nach dem Mondstand orientiert. Zu früh ist auch nicht pünktlich, sagt mein Sohn jeweils, wenn ich stirnrunzelnd auf die Uhr gucke. Und er hat recht. Und, weil das Oktoberfest im September ist, zu früh, wie gesagt, löst es eine Kettenreaktion aus. Es führt dazu, dass wir ab der ersten Oktoberwoche Halloween-Partys vorbereiten, ab dem 1. November Weihnachtslieder und -stimmung in die Warenhäuser und als Folge davon in die Wohnzimmer blasen, Ende Dezember Lust auf Fastnachtsgebäck bekommen und spätestens, aber allerspätestens am 1. Februar den ersten Schoggi-Hasen verputzen, bevor wir dann im April zum ersten Mal in die Sommerferien fahren.
Dabei beschleicht mich ein unangenehmes Gefühl: Könnte es nicht sein, dass das Oktoberfest nicht zu früh, sondern über 11 Monate zu spät stattfindet?
Es war nämlich so
Es muss eine Zeit gegeben haben, eine Zeit grösster Not und Elend, in der die Leute nicht dazu kamen, ein Oktoberfest zu feiern, ja nicht mal irgendein Fest. Aber dann, nachdem sie diese festlose Phase überstanden hatten, holten sie es nach, das Oktoberfest – im September. Ein Zufall! Einen knappen Monat später das eigentliche Oktoberfest zu feiern, war den Leuten dann wohl doch etwas zu viel des Guten und vermutlich hatten, wie so oft, lust- und genussfeindliche Puritaner die Oberhand.
So kam es wohl, dass das Oktoberfest doch noch ausfiel und aus pragmatischen Überlegungen heraus – oder aus Ungeduld -, ein Jahr später wieder im September stattfand.
Andere Kunden haben auch gekauft
Ich bin, wie gesagt, eigen und nicht nur ein Gegner von Anachronismen, sondern ein Mensch, der in Zyklen denkt. Und diese Zyklen werden verwischt, überlappen sich oder werden gar vollkommen abgeschafft, beziehungsweise auf permanent geschaltet.
Weihnachten findet man, ohne gross danach zu suchen, nämlich schon jetzt im Warenhaus, neben den Plastik-Lederhosen und den Billigstoff-Dirndeln. In der Nähe stehen Restposten von Osterhasen. Aber man kann nie sicher sein, ob es schon der Vorläufer der neuen Kollektion ist.
Könnte es sein, dass am Ende doch hauptsächlich die Statistik hinter dem Oktoberfest interessiert – nicht mich aber den Markt (wer immer das sein soll).
Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden, die ein Lederhosen-Kombi kaufen, sich auch einen Filzhut anschaffen? Wie viele Kundinnen nehmen gleich schon die erste Rentier geschmückte Packung nach Zimt duftender Teelichter mit? Welche anderen Biertrinker haben auch Lust auf Glühwein?
Bin ich ein lust- und genussfeindlicher Puritaner?
OH!
Ich glaube nicht. Aber die Vorstellung von Zimtgeschmack in Kombination mit Bier ist echt zu viel für mich.