Es ist soweit: ich weiss nicht mehr, ob ich dieses Thema schon mal aufgegriffen habe. Hängt wohl daran, dass es ein Dauerbrenner ist und ich jedes Mal, wenn’s wieder vorkommt, eine mentale Notiz mache, mich in einem Blogbeitrag abzureagieren.
Also los:
Es geht um eine ganz spezielle Gattung von Autofahrern – in der Regel männlich, aber nicht ausnahmslos, im Folgenden jeweils als A. bezeichnet – die unter Wahrnehmungsstörungen leiden. Es ist der „Ich-Kann-Konstante-Geschwindigkeit-Halten-Wahn“ kombiniert mit dem „Ich-Fahre-Hinter-Niemandem-Her-Prinzip“, verschlimmert mit dem „Andere-Verkehrsteilnehmende-Müssen-Erzogen-Werden-Syndrom“.
Ich bin ja der Tempomatfahrer. Eine gesegnete Errungenschaft, der Tempomat. Den nutze ich sogar auf Überlandstrassen, um die 80 nicht zu überschreiten, definitiv aber bei Autobahnfahrten. Den Blick nach vorne und über die Spiegel nach hinten gerichtet habe ich Piste und Verkehr im Griff und brauche den Blick nie auf den Tacho zu senken (was für Leute, die wie ich im Varilux-Alter sind, ein weiterer Segen ist).
Leider gibt es A., die auch ohne Tempomat nicht auf den Tacho achten. Wenigstens nicht regelmässig. Das sind die Leute, die unter erstgenanntem Syndrom leiden, in völliger Verblendung, was ihren Fahrstil betrifft. Die gondeln also durch die Gegend mit 115 km/h bis ein Tempomatfahrer, also zum Beispiel ich, von hinten auf sie auffährt und zum Überholen ansetzt.
[Übrigens, ich weiss schon, dass nicht ich selber auffahre, sondern mein Auto das macht. Nur damit’s nicht wieder böse Kommentare hagelt.]
Ich bin dann also so auf Höhe des hinteren linken Kotflügels, wenn der zu überholende A. aus aktuellem Anlass einen Blick auf den Tacho wirft. Sein Unterbewusstsein registriert, dass der Tacho 115 zeigt, lässt es aber aus psychohygienischen Gründen nicht zu, dass die Botschaft ungefiltert in der Grosshirnrinde ankommt. In den unzugänglichen Teilen des Gehirns wird dennoch ein Befehl an den rechten Fuss gesandt: „Nur ein bisschen nachjustieren, mein Junge!“
Fünf Sekunden später hält dann die bisher inaktive Grosshirnrinde des andern A.s ungefähr folgenden inneren Dialog:
„Wieso fährt der Kerl neben mich und reduziert das Tempo? Kommt der angefahren mit etwa 135 und fährt dann doch nicht vorbei. Ich fahre ja konstant meine 125. Was soll das? Frechheit! Leute, die ihre Geschwindigkeit nicht halten können, sollte man aus dem Verkehr ziehen! Na, den will ich mal lehren. Wenn der vorbeiwill, muss er wohl oder übel auf die Tube drücken. Hoffentlich bekommt er eine Busse!“
Wenn es die Verkehrssicherheit erlaubt, setze ich mich wieder dahinter.
Es gibt noch eine andere Ausprägung tempomat-untauglicher Verkehrspartner. Die lassen sich überholen, sehen dich vorbeiziehen, nur um gleich wieder auf dich aufzufahren und wieder zu überholen. Zwei Minuten später – der Tempomat gewinnt einen weiteren Kampf gegen die Menschmaschine im Auto vor dir – beginnt das Spiel von vorne.
Ab dann wird es gefährlich. Wenn du auf einen „Dass-Lasse-Ich-Mir-Nicht-Bieten-Typ“ mit einer pädagogischen Zwangsneurose triffst, der genau dasselbe denken und fühlen muss wie du – halt einfach ohne Tempomat – hilft nur eines: auf höheres Tempo einstellen oder eine kurze Pause einschalten. Ich entscheide mich meistens für die letzte Variante und gebe dem A. das Gefühl, er hätte im Kampf für einen besseren und sichereren Verkehrsfluss eine weitere Runde gewonnen.
Bei ganz hartnäckigen Fällen, schmeisse ich die CD von Polo Hofer rein, suche den entsprechenden Titel und überlasse mein Unterbewusstsein den selbstheilenden Kräften, die dieser Song auslöst. Er beginnt auch mit A…