Staatsverschuldung

Ich als Schweizer habe jetzt (am 18. April 2012 um 17.45 Uhr) zum Beispiel 26’505.-Fr. Schulden. Jeder Schweizer, jede Schweizerin hat die. Du kommst auf die Welt – zack! – da sind sie schon. Und die wirst du erst los, wenn du stirbst. Wenn Sie in einem anderen Land als der Schweiz leben, kann das zum Teil drastisch anders ausschauen – besser oder schlechter, je nach dem. Sind Sie Deutsche oder Deutscher, zum Beispiel, dann stehen Sie im Moment mit 25’945 Euro in der Kreide – das wären nach dem aktuellen Kurs immerhin 31’217.-Fr.

 

Doch bei wem stehen Sie eigentlich in der Kreide und wie funktioniert das mit den Staatsschulden?

Zum Thema Staatsschulden findet man recht schnell einige leichtverständliche Videos: hier in einem Schulprojekt, von explainity oder der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

 

Wer’s gerne grafisch mag, findet im Buch „Welt der Informationen“ von Stolz und Hätzschel unter den „105 Grafiken, die alles erklären“ eine Doppelseite mit dem Titel „Staatsschulden Weltweit“. (Hier der Trailer zum Buch – doch das soll eigentlich keine Buchbesprechung werden.)

 

Am besten fahren aber die Grafiken von demonocracy.info ein.

 

Wer die Welt gerne mit kleinen Geschichten versteht, dem sei hier geholfen. Ich habe kürzlich eine aufgeschnappt und möchte sie frei nacherzählen.

 

 

Die Hunderternote

 

Ein Amerikaner ist eben zusammen mit (s)einer reizenden Frau in St.Moritz angekommen. Sie sind nun auf der Suche nach einem Hotel, das ihren hohen Ansprüchen genügt. Es erscheint vielleicht etwas unglaubwürdig, dass der Amerikaner nicht bereits ein Zimmer reserviert hat, zumal er nicht ortskundig ist und zum ersten Mal in der Schweiz Ferien macht. Aber es ist Zwischensaison und er ist sowieso ein Mensch, der sich lieber vor Ort ein Bild macht und niemandem vertraut ausser sich selbst und seinem eigenen Urteil.

 

Er steht nun also an der Rezeption eines 4-Sterne-Hotels, knallt eine Hunderternote auf den Tresen (Sagt man Tresen in Hotels? Egal!), um zu zeigen, dass er durchaus liquide ist und fragt, ob noch Zimmer frei wären. Er fragt das natürlich in englischer, bzw. amerikanischer Sprache und bekommt in makellosem Engadiner-Englisch die Antwort, dass gerade noch ein Zimmer zu haben sei und eine Besichtigung überhaupt kein Problem darstelle. Der Concierge, die Dame und der Amerikaner gehen also zum Lift und verschwinden nach oben.

 

In diesem Moment kommt der Hotelier aus seinem Büro. Sein Blick fällt auf die Hunderternote. „Die kommt gerade richtig!“, denkt er sich, schnappt sie im Vorbeigehen, verlässt das Hotel, geht über die Strasse und betritt die Bäckerei. Er schuldet dem Bäcker noch Geld fürs Brot und die „Gipfeli“ – genau hundert Franken. Er reicht dem Bäcker also die Hunderternote, froh, dass er trotz saisonbedingter Geldknappheit wieder schuldenfrei dasteht.

 

Kaum ist der Hotelier zurück in seinem Büro verlässt der Bäcker sein Geschäft, geht ein paar Häuser weiter zu seinem Freund, dem Metzger, der ihm jeweils die Salami-, Fleischkäse- und Schinkentranchen liefert, mit denen er die Brote für die saisonbedingt wenigen Passanten belegt. Er hält sich nicht lange im Geschäft auf, denn die halbleeren Vitrinen deprimieren ihn. Die Hunderternote aber hat wieder den Besitzer gewechselt.

 

Die Metzgersfrau nimmt ihrem Mann die hundert Franken aus der Hand, noch bevor sie dieser in die Kassenschublade legen kann. „Bin gleich zurück“, sagt sie noch und lässt ihren Mann etwas ratlos in der Metzgerei stehen. Sie geht am Hotel vorbei ins nahe Schuhgeschäft, wo sie noch eine offene Rechnung begleichen muss. Gelangweilt sitzt die Besitzerin des Schuhgeschäfts in einer Ecke ihres Ladens, denn saisonbedingt kommen nur wenige Leute vorbei. Die Metzgersfrau müsste zwar 120.-Fr bezahlen, aber die Besitzerin des Schuhgeschäfts ist eine gute Bekannte und drückt ein Auge zu.

 

Kaum ist die Metzgersfrau weg, hängt die Schuhgeschäftbesitzerin das Schild „Bin gleich zurück – Back Soon“ an die Eingangstür und schliesst ab. Sie geht mal eben zur Werbefirma um die Ecke und drückt dem Lehrling den Hunderter in die Hand. Er solle ihn gleich dem Chef bringen, sagt sie und fügt an, das wäre noch fürs letzte Inserat in den Hotelzeitungen. Leider hat es ihr nicht viel eingebracht, saisonbedingt. Immerhin sei nun die Rechnung beglichen, denkt sie und geht zurück in ihren Schuhladen, um weiterhin gelangweilt auf den Feierabend zu warten.

 

Der Chef der Werbefirma schickt den Lehrling mit der Hunderternote gleich weiter. Der kleine Umtrunk mit ein paar wichtigen Kunden im nahen Hotel ist noch nicht beglichen. Der Hotelier wisse dann schon, wofür das Geld sei, ruft er ihm noch nach und es stimme so. Der Lehrling geht los und tritt kurz darauf in der leeren Eingangshalle des Hotels ein. Er schaut sich um, ist unsicher, was zu tun ist, überlegt, dass der Hotelier ja schon wisse wofür das Geld sei, zuckt mit den Schultern und legt die Hunderternote auf den Tresen (wobei auch er nicht weiss, ob man der Hotel-Rezeptions-Abschrankung auch wirklich Tresen sagt oder nicht). Doch da schaut schon der Hotelier aus seinem Büro, erkennt den Lehrling, winkt ihm zu, wissend, sagt dem Lehrling, er solle dem Chef einen Gruss ausrichten, geht zurück in sein Büro und schmeisst die Notiz über die offene Rechnung der Werbefirma in den Papierkorb. Zufrieden mit sich und der Welt verlässt der Lehrling das Hotel und geht schleunigst wieder zurück in die Werbefirma. Da ist zwar saisonbedingt nicht viel los. Er möchte aber nicht riskieren, von seinem Chef einen Rüffel fürs Trödeln zu kassieren.

 

Kaum ist der Lehrling weg, geht die Lifttür in der Eingangshalle des Hotels auf. Heraus kommt der Amerikaner, gefolgt von (s)einer Frau und dem Concierge. Der Amerikaner erklärt dem leicht entnervten Concierge nochmal, dass er sich die Räume eines 4-Sterne-Hotels doch einiges grösser vorgestellt hätte, geht zum Tresen (bleiben wir dabei!), schnappt sich seine Hunderternote und verlässt zusammen mit der Dame eilig das Hotel, um seine Suche nach einem akzeptablen Zimmer weiterzuführen.

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.