Spy vs. Spy

Manchmal versuche ich die Welt mit den Augen und Ohren eines Autors wahrzunehmen. Was sage ich „manchmal“? Ich mache das ständig.

 

Nun spielt ein waschechter Agenten-Thriller täglich in den News. In Echtzeit können wir mitverfolgen, wie Eduard Snowden, Gejagter und Jäger zugleich, Geheimnisse lüftet, Sicherheitsdienste an der Nase herumführt aber keine Toten hinterlässt. Noch nicht.

 

Allein der Name – Snowden. Was gäbe ich darum, ihn selber erfunden zu haben. Dieser Name ist so etwas wie die konzentrierte Essenz sämtlicher Agentennamen.

 

Der Plot: fantastisch! Der Insider wechselt die Fronten, wird vom Bö-Fei zum Gutmenschen und als solcher zum Gejagten. Nichts ist unverzeihlicher, als das eigene Nest zu beschmutzen. Nichts ist edler, als alle Taue zu kappen, um den Bösen das Handwerk zu legen und deren Machenschaften aufzudecken.

 

Und was da aufgedeckt wurde erschüttert:

 

WIR WERDEN SYSTEMATISCH BESPITZELT!

 

 

So muss sich Dornröschens Hofstaat gefühlt haben, als er aus dem hundertjährigen Schlaf hochschreckte und sich fragte, wie die böse Hexe von der Einladung ins Schloss erfahren hatte. „Was, auf dem Postamt werden Briefe geöffnet und gelesen? Brennt die Postämter nieder! So etwas darf nie wieder vorkommen.“

 

Genau wie damals reiben sich die Leute die Augen und können es nicht fassen, dass digitale Daten gespeichert, von Algorithmen durchforstet und schliesslich von Unbekannten gelesen werden.

 

Dann, der erste Schock ist etwas verdaut, gerät Snowdens Flucht ins Stocken. Nun kommen zwei weitere klassische Kniffe zum Einsatz. Die Spekulation: welche Staaten werden wohl Snowden aufnehmen und sich den Zorn der grossmächtigen Staaten aufladen? Und der Rückblick: welche (digitalten) Spuren hat der Whistleblower selber hinterlassen?

 

Dabei werden unschöne Worte über die Schweiz, deren weiblicher Bevölkerung im Speziellen und deren rassistischer Bevölkerung im Allgemeinen offenbart (siehe z.B. NZZ). Wiederum schiessen die Spekulation ins Kraut, Verschwörungstheorien wechseln Charakterstudien über den Protagonisten ab.

 

Ich kann es kaum abwarten, bis die Geschichte endlich fortgesetzt wird – nach dem nächsten Werbeblock. Weil ich Werbung nicht mag, warte ich solange in der Küche, lese einen spannenden Thriller und achte auf die Erkennungsmelodie des „Sandmännchens“.

 

Dü-düdeldü-düdeldüdeldüldü …

 

 

Quelle: Wikipedia.org

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.