Sie stören

Ich schaue durchs Küchenfenster, höre Musik, koche etwas, denke über das Leben nach, und es überkommt mich das dringende Bedürfnis, jemandem eine Lektion zu erteilen. Andere Leute stören meine Idylle einfach. Und wissen Sie warum? Weil sie von nichts eine Ahnung haben.

Daumen runter 90

Sie stören auf der Autobahn, beim Anstehen an der Kasse, im Restaurant, im Fernsehen, auf der Arbeit, an der Haustür, im Garten, und so weiter und so fort.

Vielleicht fragen Sie sich, wer denn im Garten stören könnte. Sie haben ja auch keine Ahnung! Da wären mal die Katzen und dann die Katzen und dann nochmal die Katzen, respektive die Katzenhalter und -innen, da Katzen an sich ja keine Leute sind. Ich könnte Ihnen Geschichten erzählen, Geschichten! Aber wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie selber Katzen haben oder diese zumindest wohlwollend tolerieren oder gar befürworten? Eben!

Lassen wir das also mit den Katzen! Wir können auch über Atomkraft diskutieren, über Wolfsabschüsse, über Scheidungen, über die Kirche (Mann, da würden die Fetzen fliegen!), über das Wetter oder Jurymitglieder einer Castingshow. Sie können sich ruhig ein Thema aussuchen.

Ich an Ihrer Stelle würde es bleiben lassen. Am Ende habe sowieso ich recht und Sie gucken in die Röhre. Womit ich nicht auf Ihre Fernsehsucht anspiele. Seit sich die Flachbildschirme durchgesetzt haben, kann man ja nur noch sprichwörtlich in die Röhre gucken.
Sehen Sie, nun sind Sie froh, dass Sie sich nicht mit einem wie mir angelegt haben. Abgesehen davon, kommt in der Kiste nur mit unseren Steuergeldern subventionierter Dreck oder Werbung für Produkte gegen Inkontinenz.

Wenn ich mich absolut nicht mehr beherrschen kann, schreibe ich Leserbriefe. Eigentlich schreibe ich täglich – an die Lokalzeitung, die Fernsehzeitschrift und das Magazin meines Lieblings-Detaillisten. Doch meine Ärztin und mein Rechtsanwalt haben mir empfohlen, nur noch wirklich absolut unverzichtbare Leserbriefe, höchstens einmal pro Monat, nach sorgfältiger Prüfung abzuschicken. Nun stapeln sich die nicht abgeschickten Leserbriefe auf meiner Festplatte und in diesem billigen Regal, das, wie der Rest der Welt, nicht mehr im Lot ist. Alles geht den Bach runter, seit uns die Skandinavier vorschreiben, wie wir möglichst billig zu wohnen haben. Sogar im Altersheim.

Wie gerne würde ich mich an den Diskussionen in den Kommentarspalten der Online-Medien beteiligen. Aber irgendwie haben mich diese Heinis ausgesperrt. Null Diskussionskultur! Null Toleranz! (eventuell müsste Letzteres zusammengeschrieben werden.)
Diese Korinthenkacker, diese doppelmoralischen Erbsenzähler, diese weichgespülten Kleingeister ertragen es einfach nicht, wenn ich die Dinge beim Namen nenne. Keinen Funken Anstand haben die.

So, und nun bin ich fertig mit Kochen. Also lassen Sie mich gefälligst in Ruhe essen! Sie stören! Hören Sie auf, mich zu nerven!

Tschüss!

 

Bildcredits: By Pixman (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.