Reden wir für einmal übers Wetter!
„Halloooo und heazlich willkommen zu Ihrem Schweizwettea!“
Wenn ich diesen Satz nur schon lese! Wenn ich ihn auch noch im Original höre und dazu noch den Moderator sehe – auf diesem Deutschen Privatsender! Dann bin ich nicht nur am Ende meines Lateins angelangt. Mein ach so gehegtes humanistisches, weltoffenes, tolerantes, neutrales Schweizerwesen zerbröselt in seine Bestandteile. Was übrig bleibt, ist eine Mischung aus Wilhelm Tell, Winkelried und dem Bartli, der den Most holen geht. Alle drei warten irgendwo in meinem Innern darauf, rausgelassen zu werden. „Halloooo und heazlich willkommen zu Ihrem Schweizwettea!“, ist der Universalschlüssel zu ihrem Käfig.
Ist dieser Teutonische Wetterfrosch die verspätete Antwort auf unseren Kachelmann? Ich habe bis jetzt gedacht, die fanden das damals ganz niedlich – ein leicht verpeilter Schweizer erklärt wortschöpferisch mit einer gewissen Nonchalance das Deutschlandwetter. „Iah Schweizwettea“, der meteorologische Umkehrschluss, geht aus verschiedenen Gründen gar nicht.
Das Wetter, und das muss deutlich gesagt sein, gehört hierzulande nämlich niemandem – da kennen wir nichts! (Vielleicht haben wir damals den Kachelmann vielleicht gerade aus diesem Grund exportiert.) Na ja, vielleicht gehört es ein wenig den Muotathaler Wetterschmöckern, das Schweizwetter, aber die sind ja auch seit 1291 Eidgenössisch. Ansonsten ist das Wetter besitzfrei. Ausser es ist wirklich übel. Dann haben wir es dem Europäischen Auslagern von Wolken, die sich dann an unseren Alpen stauen und sich ausregnen, zu verdanken.
Wenn Schweizerinnen und Schweizer „iah Schweizwettea“ hören, dann fühlen sie sich augenblicklich bedroht. Denn eigentlich hören sie „NOCH iah Schweizwettea“ und wissen genau, man will ihnen das nächstens wegnehmen und verdeutschen, vereuropäisieren, verglobalisieren. Vor ihren geistigen Augen sehen sie schon die Steinbrück’sche Kavallerie (siehe Spiegel 2009) aufmarschieren und die Indianerköpfe geben dunkelschwarze Rauchzeichen.
Pi mal Daumen
Zudem sind die Aussagen über „üsers Wetter“ (Zürcher würden eher „euses“ sagen!) nicht korrekt. Der Moderator weiss noch nicht mal, wie man in der Schweiz rechnet. So spricht er letzthin von „Pi mal Daumen“, was nicht nur bei Mathestudenten an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lachkrämpfe auslöst sondern auch bei Otto Normalverbraucher, der bei uns Herr oder Frau Schweizer heisst. Und die rechnen Handgelenk mal Pi!
Nehmen wir mal an, der Meteorologe meint die Länge des Daumens und nicht dessen Umfang, dann resultiert dennoch ein markanter Unterschied zwischen den beiden Multiplikationen. Pi mal Daumen ergibt bei mir 25.3 cm. Handgelenk mal Pi hingegen 61.3cm. So kann man doch keine Prognosen machen, mein Lieber Herr Gesangsverein (in CH-Deutsch übersetzt, „Gopferteggel nomol, isch doch au wohr, saggzement! Heieiei!“)!
Wetterfühlig
Es gibt praktisch keine Schweizerinnen und Schweizer, die nicht spätestens drei Generationen zurück irgendeinen Ätti oder ein Müeti (Müeti ist immer eindeutiger als Ätti) aus einem unzugänglichen Bergweiler (also einem „Krachen“) haben. Die Wetterverbundenheit ist bei uns sozusagen mit der Muttermilch implantiert worden. Wenn wir wissen wollen, wie das Wetter wird, machen wir ein Fenster auf und schauen raus oder wir gehen gleich nach draussen. Dann schnuppern (also „schmeggen“ oder meinetwegen halt „schmöcken“) wir in alle Himmelsrichtungen, kneifen die Augen zusammen und recken („heben“) vielleicht sogar den abgeleckten („abgeschleckten“) Zeigefinger in die Luft. Dann gehen wir in uns und lassen die Gene arbeiten. Via Unterbewusstsein wird die Wetterprognose für die nächsten 24 Stunden an unseren Frontallappen weitergegeben. Aufgrund der Ergebnisse entscheiden wir, ob wir die Wäsche draussen aufhängen oder im Keller, ob wir Grillfleisch einkaufen oder uns fürs Restaurant verabreden, ob wir den Pflug vor unseren 4×4 schnallen oder den ÖV nehmen. Dazu brauchen wir nun wirklich niemanden, der uns das Wetter vergermanisiert. Wo sind wir denn eigentlich? Hä?
Oh, ich glaube ich spüre den Föhn, der seit 1515 (noch ein Jubiläumsjahr!) südländisches Temperament über die Alpen trägt und unser Blut zum Kochen bringt. Ich mach dann mal Schluss.
„Auf Wiedersehen und Ihnen noch einen tschönen Abend!“
Bildcredits: By The people from the Tango! project (The Tango! Desktop Project) [Public domain or Public domain], via Wikimedia Commons