Ich mag die letzte Seite meiner Zeitung nicht. Die Hägar-Witze finde ich zwar O.K. Ich werde aber den Eindruck nicht los, dass es auf dieser Seite vor allem darum geht, die Leute einzulullen. Es gibt ja viele, die die Zeitung von hinten nach vorne lesen. So kommt man auch viel eher an die Todesanzeigen ran.
Ich lese von vorne nach hinten und nerve mich über kuschelige Bären im Sonnenuntergang, wenn ich davor über Hungersnöte, Bombenattentate, misshandelte Frauen oder Massenentlassungen gelesen habe.
Nervtötend sind ausserdem wissenschaftliche Studien aus der Kategorie: Was Sie schon immer wissen wollten, aber nie zu fragen wagten. Heute also der Artikel:
Schreiende Babys soll man herumtragen
Wow! Wieso sagte mir das niemand, als ich noch kleine Kinder zu Hause hatte? Nächtelang las ich ihnen vor, spielte Musik und redete vor allen Dingen beruhigend auf sie ein, appellierte an ihre Vernunft. Wenn ich nicht mehr konnte, fragte ich meine Frau: „Wo, verdammt, ist der Schalter, um sie abzustellen?“ Sie wusste es auch nicht.
Aber ich bin erleichtert, dass ein gewisser Kumi Kuroda vom Forschungsinstitut Riken in Wako-shi bewiesen hat, dass sich schreiende Babys beruhigen, wenn sie herumgetragen werden. Soll was mit der Tragstarre bei Mäusen und anderen Tieren zu tun haben, Herzschlag reduzieren und so.
Wenn ich dann doch etwas mehr Informationen darüber haben möchte, werde ich zum Beispiel auf Tagesspiegel fündig. Als erstes springt mir das Bild von der Löwenmutter, die ihr Baby im Maul trägt, ins Auge.
Als zweites offenbart sich mir das grosse Manko dieser Studie. Sie sagt rein gar nichts darüber aus, wie man denn sein Baby tragen soll. Es würde mich wirklich nicht wundern, wenn in nächster Zeit vermehrt Säuglinge mit Bissspuren am Genick in Kliniken eingeliefert würden.
Haben Sie schon mal ein kleines Mädchen gesehen, das ihr Lieblings-plüsch-goldschatzi-knuddel-muddel-vieh nachlässig an einem Ärmchen durch die Gegend schleift? Eben! Klinik, ausgerenkte Schulter.
Womöglich braucht es eine zweite Studie, um die wichtige Frage der Trageart zu klären. Vielleicht kann der gute Kumi Kuroda bei dieser Gelegenheit auch gleich noch herausfinden, ob die in meiner Regionalzeitung am Ende des Artikels formulierte Vermutung auch tatsächlich zutrifft:
[…] „Doch ist sie (die Studie, Anm. des Bloggers) überzeugt, dass die Babys das gleiche Verhalten auch bei Vätern und anderen Bezugspersonen zeigen.“
Väter bekommen eh den Mund nicht voll genug. Müsste eigentlich ein klarer Vorteil gegenüber den Müttern sein.
Und: Väter gehören zur Gruppe „andere Bezugspersonen“. Aber das müsste dann auch wieder mit einer Studie belegt werden.
Vorerst habe ich ganz andere Probleme. Mein siebzehnjähriger Sohn war heute ganz aufgebracht wegen einer schlechten Note. Ich wollte ihn ein bisschen beruhigen. Nun bin ich zwei Wochen krank geschrieben und darf das Bett nicht verlassen, bis sich meine Bandscheibe wieder eingerenkt hat.
Bild: Nevit Dilmen, wikimedia.org