Man kann darüber diskutieren, ob es noch Spätfrühling oder schon Frühsommer ist. Mir ist das egal, denn draussen ist einfach draussen und da ist es länger hell und schon so warm, dass höchstens ein leichtes Jäckchen zum Einsatz kommt, wenn Sie auf der Terrasse sitzen.
Die Grillen zirpen. Vom Weinberg her. Das weckt die schönsten Gefühle. Zirpende Grillen fahren direkt ins Zentralhirn. Dort schütten die Signale ein Entspannungshormon aus, dass subito dazu führt, dass Sie sich ein Bierchen zischen möchten, einen extra-speziellen Latte-Machiato, ein Gläschen Weissen oder, ganz verwegen für die Jahreszeit, sich sogar einen Rosé oder einen Apérol mit oder ohne Spritz gönnen.
Doch kaum haben Sie es sich inmitten des Gezirpes gemütlich gemacht, müssen Sie schmerzlich erfahren, dass Ihre sämtlichen nahen und entfernten Nachbarn erstens genussfeindlich sind und zweitens einen Pakt gegen Sie geschlossen haben.
Das fing schon beim Kauf des Rasenmähers an. Sie selber haben diesen kleinen, ressourcenschonenden und vor allem leisen Elektromäher gekauft. Sollten Sie der totale Chill-Out-Typ sein, haben Sie sich einen Roboter angeschafft, der den Rasen mäht, währenddessen Sie sich Ihren Feierabendgetränken und dem Grillengezirpe widmen.
Nicht so Ihre Nachbarn! Machen wir ein Beispiel mit Nachbar A:
Nachbar A geht in den Outdoor-Baumarkt-Ich-Mach-Alles-Selber-Shop, schnappt sich den bulligsten Verkäufer und fragt grusslos: „Wo haben Sie den leistungsfähigsten Rasenmäher versteckt?“
Der Verkäufer kennt sich mit dieser Sorte Klientel natürlich aus. Seine Kunden haben eine ganz einfache Gleichung im Kopf: Je lauter, desto leistungsfähiger! Also führt der Verkäufer seinen Kunden, also Ihren Nachbarn A, zielstrebig an den in Grün gehaltenen (wen wundert’s !) Elektromodellen vorbei und präsentiert ihm zuerst das benzinmotorbetriebene Rasenmähermodell „Krach 2000“. Nachbar A ist versucht, sein dämliches Grinsen aufzusetzen, will sich aber nicht so leicht abspeisen lassen. Also macht er einen auf cool und gibt dem Verkäufer zu verstehen, dass es sicher noch etwas gibt, was im Preis-Leistungs-Bereich besser abschneidet. Und, da er gerade von „Abschneiden“ spreche, vermutlich auch mit dem Gras noch kürzeren Prozess mache.
Daraufhin hat der Verkäufer, eine Mischung zwischen dem „Bachelor“ und „Bob der Baumann“, natürlich nur gewartet. „Sollen wir den Gehörtest machen?“, schlägt er heimtückisch vor. Bevor der Verkäufer das letzte Modell in der Reihe der Motormäher, den „Ultimate Noise 4800“ anwirft, reicht er dem Nachbarn A einen Gehörschutz. „Den gibt es gratis dazu“, sagt er dabei augenzwinkernd. Nachbar A merkt nicht, dass er nun tatsächlich sein schönstes Grinsen aufgesetzt hat. Der Kaufabschluss ist eine reine Nebensächlichkeit.
Noch am selben Abend, das ist dann, wenn Sie sich gerade den ersten Schluck gönnen oder eine neue Seite in Ihrem Buch aufschlagen, zündet Nachbar A die Triebwerke seines Rasenmähers. Für seine 150 Quadratmeter Rasen benötigt er gefühlte 5 Stunden, was pro Quadratmeter 2 Minuten sind. Das darf man durchaus als liebevoll bezeichnen. Als er endlich ermattet, aber mit einem glückseligen Lächeln, seinen „Ultimate Noise 4800“ in den Geräteschrank schiebt, werden Sie der Grillen wieder gewahr, womit sich bei Ihnen endlich doch nochmal dieses relaxte Wohl-Verdienter-Feierabend-Gefühl einstellt.
Bis Nachbar B, ein Komplize von Nachbar A, C, D, … bis Z, den „Turbo Booster Max-9000“ aus der Garage holt und seinen Rasen pflegt. So nennt man das. Seinen Rasen pflegen. Wer seinen Rasen in der Nachbarschaft nicht pflegt, ist verdächtig. Oder Alkoholiker. Oder ein hoffnungsloser Grillen-Romantiker. Also potenziell schwul. Nur hat Manns noch nicht gemerkt.
Haben Sie sich schon gefragt, warum nicht alle Ihre Nachbarn zur selben Zeit Ihren Rasen pflegen können?
Ich auch.
Es ist eine Verschwörung. Glauben Sie mir!
A propos „Grillen“, nehmen Sie Gift drauf, wenn Ihr Steak schön medium zum Verzehr bereit ist, schmeisst Nachbar A auch noch den Laubbläser an.
Bildquelle: http://www.photoree.com/photos/permalink/22604-83476873@N00