Radio hören im Auto

Heute verbrachte ich zwangsläufig zwei Stunden im Auto – von 2 bis 4 Uhr nachmittags. Gewöhnlich nehme ich mir für solche Fahrten ein paar feine CDs mit. Diesmal wagte ich den Versuch und zog mir die volle Dröhnung SRF3 rein.

 

Abgesehen vom enthusiastischen Moderator begleitete mich ein recht wortkarger Sprayer durch die Landschaft des Toggenburgs. Damit konnte ich recht gut umgehen.

 

Die eigentliche Herausforderung stellte für mich die Musik dar. Ich bin um zehn Jahre gealtert an meinen Wohnort zurückgekehrt. War die Musik zu laut, zu modern, zu rockig oder zu progressiv? Weit gefehlt. Ich habe mich bis anhin als einigermassen vielseitig in Sachen Musikgeschmack gesehen – also so einer von der toleranten Sorte mit den Wurzeln in den 70ern und 80ern. Was mich fertigmacht ist etwas ganz anderes:

 

Das, was da immer und immer wieder in einer neuen, austauschbaren Version aus den Lautsprechern fiept und knarrt (ja FIEPT!) bezeichne ich als Hintergrunds-sofort-vergiss-Sound. Ich höre einen immer gleichen Rhythmus, viele Zisch-Geräusche und Soundeffekte im hohen Hörbereich, kombiniert mit belanglosem Geknatter, nichtssagender aber tiefer Töne mit möglichst viel Druck.

 

Sind Sounds und Rhythmen mal zur Abwechslung einprägsam und überhaupt wert, beachtet zu werden, dann ist es bestimmt eine gesampelte Phrase aus einem bestens bekannten Song. Ich jedenfalls habe Lou Reeds „Walk on the Wild Side“ sofort erkannt. Was dann die Jungs von „A Tribe Called Quest“ daraus gemacht haben, ist logischerweise Geschmackssache. Ich denke, 267’877 Klicks auf YouTube sind schon ein Gradmesser.

 

Wer sich die Mühe macht und die Stelle von 1.26 bis 1.33 genauer anhört, wird sofort erkennen, was ich meine. Ich empfinde es als Schmerz. Muss nicht allen so gehen. Der Neunzehnjährige, der mich auf der Fahrt begleitete, sieht das übrigens genauso. Kann also keine Alterserscheinung sein. Muss was mit Physik zu tun haben.

 

Und dann fängt es mir an zu dämmern. Dieses Radioprogamm ist auf zwei Dinge ausgerichtet:

 

1. Es soll wohl hauptsächlich über Handylautsprecher gehört werden und muss da in den Grenzen des Hörbereichs ganz schön was bieten, damit wenigstens ansatzweise was rauskommt.

 

2. Es soll wohl gar nicht richtig gehört werden. Liefert nur den Hintergrundsound, damit es uns nicht zu still wird.

 

Wie ich so abjammere, fühle ich mich scheusslich alt. Ein ungutes Gefühl. Aber ich kann mich einfach nicht dazu überwinden, meine Ohren an den täglichen Einheitsbrei aufgeblasener und zurechtgemasterter Frequenzorgien zu gewöhnen.

 

Nächstes Mal nehme ich wieder ein paar CDs mit.

 

SRF1?

Nein, dafür fühle ich mich dann doch zu jung! Aber das ist gewiss auch nur ein Vorurteil (wem gegenüber?).

 

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.