Prozentrechnen

Prozentrechnen

Die einen können es, die anderen nicht. Es gibt praktisch nichts dazwischen: Prozentrechnen. Keine Stärke der Menschheit und doch tagtäglich präsent.

 

 

 

Rabatt

Wie zum Beispiel in diesem Werbeprospekt mit Elektrogeräten zum Aktionspreis. Da gibt es einen Fernseher für schlappe 299.-Fr. anstatt 499.-Fr. Der Eye-catcher darüber – 50%! – springt mir fast ins Gesicht.

Was mich extrem an jenes Körbchen Champignons erinnert, das im selben Geschäft abgewogen wurde. 100 Gramm Pilze zum Aktionspreis, nochmal mitsamt dem Körbchen auf die Waage gestellt, nun 130 Gramm schwer kosteten genau gleich viel wie zuvor – nur, dass sie nun eben irgendwie doch gekauft wurden. Mit dem Aktionskleber. Von mir!

Aufschläge

Womit ich zu den Aufschlägen komme. Im Sinne von: Es wird teurer. Oder: Das kostetet es dich.
3% mehr Krankenkassenprämie empfinden wir schon fast als Klacks. Das ist schliesslich weit weniger als die 9%, die wir schon abdrücken mussten. Unser Gehirn stellt automatisch auf linearen Modus um und sagt sich: „Schwein gehabt!“
Dass die beinahe 10% vom Vorjahr da wiederum mit zu Buche schlagen, merkt das lineare Gehirn nicht.
Eigentlich müssten wir uns bei solchen Vorgängen immer wieder fragen: Wie lange dauert es, bis sich der Preis verdoppelt hat? Wenn wir dann auf einen Verdoppelungszyklus von, sagen wir, 15 Jahren kommen, dann sollte man sich schon fragen, ob man im Jahr 2045 – sofern man das erleben kann – pro Monat pro Person über 1200.-Fr. Prämie bezahlen will, beziehungsweise kann.
Zumal ja alles andere auch prozentual wächst.

Der kleine Unterschied

Drei Prozent Lohnerhöhung für alle! Yipeeh-jeah! Das macht dann auf einen Lohn von 5000.-Fr. pro Monat immerhin 150.-Fr. Und auf einen Lohn von 10’000.-Fr.? Genau! Das Doppelte, also 6% von 5000.-Fr.
Immer noch fair?

Wie viel ist noch drin?

Wenn du, wie ich, auf die 50 zugehst oder (sogar!) älter bist, ist Prozentrechnen ganz schön frustrierend. Ein Jahr sind dann nämlich nur 2% von deinem Leben oder weniger. Genau deswegen vergeht die Zeit wie im Flug. Das, was du erlebst, ist im Vergleich zu deinem bisherigen Leben immer weniger. Ich denke, das kann einem ganz schön zu schaffen machen.
Ausser man liegt mit Grippe im Bett oder steht vor dem Infoschalter auf dem Rathaus in der Warteschlange.
Dann könnte Prozentrechnen beruhigend sein – wenn man die Warterei im Verhältnis zur bisherigen Lebenszeit setzt.
Vielleicht aber werden Senioren gerade deswegen als in Eile empfunden, weil diese die Warterei in Beziehung zu den verbleibenden Prozenten stellen und etwas ungeduldig rüberkommen. Wer kann es ihnen verübeln?

Schnäppchenjäger

Ich möchte noch auf jene glücklichen Menschen hinweisen, die eingesparte Rabatte direkt auf ihren virtuellen Saldo umbuchen. Je mehr Prozente vom Preis abgezogen werden, desto mehr verdienen sie.
Das ist eine sinnvolle Betrachtungsweise, finde ich, wenn man eine Familie mit Grosspackungen versorgen muss. Da schlägt es sich tatsächlich in Geld auf dem Haushaltskonto nieder.
Ich kann mir aber vorstellen, dass es Leute gibt, die sich allzu schnell zum Kauf von Dingen, die sie gar nicht benötigen, verleiten lassen oder vermeintlich günstige Jumbopackungen horten, die am Ende, nach dem Ablaufdatum, den Weg alles Irdischen in die Verbrennungsanlage finden.

Womit ich wieder bei jenem oder jener Angestellten bin, der oder die seinerzeit mein Körbchen Champignons einfach nochmal auf die Waage stellte, ohne zu merken, dass eigentlich das Netto-Gewicht entscheidend wäre.

Bruchrechnen

Prozentrechen ist ja nichts anderes als Bruchrechnen. Nun bricht der Lehrer in mir durch und bin geneigt, den Spruch vom Anfang nochmal zu bringen: Entweder man kann’s oder halt nicht.

Was für ein erbärmlicher Satz eines Lehrers!

Das ist so ein „Wer-Es-Fassen-Mag-Der-Fasse-Es-Mist“, der nur den „oberen“ 60 Prozent gerecht wird – also etwa drei Vierteln.

Ich wünsche noch ein schönes, anbegrochenes Wochenende!

 

 

Bildcredits: thinkabout.ch

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.