Gestern war ich an meiner ersten Plattentaufe. Das heisst, es war nicht meine Platte und getauft wurde auch nicht.
The Pearlbreakers hoben also ihre erste Scheibe „Proof On The Way“, unter dem Label von N-Gage Productions aus der, na ja, Taufe. Das Ganze fand auch nicht in der Kirche sondern im Krempel statt. Und, um es noch verwirrender zu machen, die CD schaut tatsächlich aus wie eine Platte, nur kleiner natürlich – was nur für den Durchmesser gilt und nicht etwa für den Inhalt.
Genug des Wortsalats! Kommen wir zur Hauptspeise!
Allein der Name der Band lässt die Fantasie von Radiomoderatoren und – wie ich aus verlässlicher Quelle erfahren habe – vor allem auch von -moderatorinnen Kapriolen schlagen. Vermutlich hängt das mit dem schnuckeligen Retro-Püppchen zusammen, das ihren Facebook-Auftritt ziert. Wenn man genau hinschaut, kann man nämlich erkennen, dass an ihrem rechten Ohr zwei Perlen hängen, an ihrem linken aber nur eine zu sehen ist. Sie schlägt auch verschämt ihre Augen nieder, so als ob sie genau wüsste, wo und wie die Perle verloren gegangen ist.
Nun, ob die vier Jungs von Pearbreakers tatsächlich Womenizers sind oder nicht, kann hier nicht abschliessend geklärt werden.
Tatsache ist, sie haben auf ihren Instrumenten so was von drauf, dass sich nicht nur Frauen angesprochen fühlen. Ich behaupte hier und jetzt: The Pearlbreakers ist im Moment die am meisten unterbewertete Band der Schweiz – was sich bestimmt noch ändern wird.
Alessandro Rosi hat eine eindringliche Stimme mit Wiedererkennungswert und er spielt die Rhythmusgitarre mit einer Selbstverständlichkeit, als hätte er damit schon im Kindergarten angefangen.
Dominik Eberle an der Leadgitarre ist bereits eine nationale Grösse, versteckt sich zwar gern im Schummerlicht der Bühne, ragt aber heraus mit unglaublich smoothen Licks, technisch brillant.
Raphael Felber gleitet auf seinem Bass durch den ganzen Tonumfang mit einer rhythmusstarken Musikaltität, die seinesgleichen sucht.
Fabian Eberle schliesslich (Drummer kommen immer am Schluss, aber die sind sich das gewohnt) ist so etwas wie ein lebendes Metronom und der subtilste Drummer, den ich kenne – und das sagt mehr über ihn aus als über mich!
Pearlbreakers machen einen poppig-rockigen Gitarrensound mit einem Schuss Indie, zusammengehalten von verträumten Vocals im oberen Tenorbereich – runder, stimmiger Sound, der dich mitnimmt und träumen lässt von Perlentaucherinnen in der Südsee. Ob das so gewollt ist, weiss ich nicht. Dass alle den selben Traum haben, bezweifle ich. Man müsste Umfragen machen. Ein klarer Fall für die Wissenschaft.
Wie auch immer, ein Ereignis, auf das ich den ganzen Abend gewartet hatte, fand schlussendlich nicht statt. Die Platte wurde nicht getauft. Kein Priester weit und breit, keine Gotte, kein Götti als solche erkennbar, keine Kerzen, kein Weihwasser, nichts.
Dass sich der Priestermangel auf so dramatische Weise manifestieren würde, damit hätte ich nicht gerechnet. The Pearlbreakers hatten bestimmt alles Erdenkliche versucht, einen Würdenträger zu erreichen und zu bewegen, der Platte den Segen zu geben – vergebens. Ihre Frustration über die erfolglosen Anrufversuche bei den für Taufe zuständigen Instanzen haben sie in ihrem Song „Is Anybody Home Tonight“ verarbeitet. Zu diesem Song gibt es auch ein Video, das eindrückliche Bilder von der Band in einer tristen Halle und vorbeiziehenden, trüben Landschaften zeigt und die Enttäuschung in einer poetisch-melancholischen Grundstimmung spiegelt.
Nach genauerem Überlegen komme ich am Schluss zum Schluss (was für eine Wortgewalt!), dass das fehlende Schmuckstück am Ohr des Marilyn Konterfeis die musikalische Perle symbolisiert, die kurz vor ihrem Durchbruch steht.
Ich wünsche den Pearlbreakers den verdienten Erfolg und freue mich auf nächste Konzerte und Platten – mit Taufe dann, einem Pfarrer oder meinetwegen auch dem Krümelmonster, das jeweils die Loco-Slickers Scheiben bringt.
Für PEARLBREAKING NEWS, Tom Zai