Paarschiff – Neu verlieben und CHF 150 sparen

Heute finde ich eine Werbemail von meinem E-Mail Service im Postfach. Betreff:

Paarschiff - Neu verlieben und CHF 150 sparen.

Dazu ein Link auf die Seite von diesem Paarschiff, der modernen Form der Arche Noah für Zweibeiner. Einfach ohne Sintflut, haha! Das kenne ich aus der Werbung: Glückliche Menschen, mit glücklichen Hunden, die sich zusammen (also nur die Menschen!) so richtig verliebt in ihren Polstersessel sinken lassen. Ich habe diesen Anbieter bisher nicht beachtet, weil ich vermutet habe, dass ich mir das nicht leisten kann.

Unweigerlich muss ich an meine Frau denken, die gerade die Wäsche bügelt und dabei den Fernseher viel zu laut aufgedreht hat.

150 Franken sparen. In Worten HUNDERFÜNFZIG! Das ist pro Tag, oder? Und dazu auch noch neu verlieben. Heieiei!

Ich bin ein moderner, aufgeschlossener aber kostenbewusster Mann im besten Alter. Das gilt auch für meine Frau. Ausser das mit dem Mann vielleicht, das ist bei ihr anders. Sie wissen schon, was ich meine. Also, wenn wir beide von diesem Angebot profitieren würden, das wären dann auf einen Schlag: 300 FRANKEN!!!

„Scha-atz!“, rufe ich, „kannst du mal kom-men?“
„Gla-eich!“
„Es a-eilt! Wir haben nur noch 10 Tage Za-eit!“
„Und da-ann? Sterben wir oder wa-as? Gehen wir vielleicht in der Wäscheflut unter, oder was?“
Den letzten Satz schreit sie nicht mehr durchs ganze Haus, denn ich habe ihre Neugier geweckt und sie steht neben mir.
„Nein, das ist ganz ohne die Flut, Schatz und gell, du hast schon das Bügeleisen ausgesteckt, oder?“
„Nerv nicht! Was gibt es so Dringendes?“
„Wir können massenweise Geld sparen, und uns neu verlieben, Schatz. Ist das nicht grossartig? Schau!“

Ich zeige ihr die E-Mail, damit sie es mit eigenen Augen sehen kann. Doch diese Augen füllen sich mit Tränen und sie muss sich irgendwo – nicht an mir – festhalten. Schliesslich braucht sie einen Stuhl, vergräbt ihren Kopf zwischen den Armen und gibt sich haltlosem Schluchzen hin.

Ich verstehe die Welt nicht mehr. Wobei ich schon zufrieden damit wäre, meine Frau zu verstehen.

„Was ist denn los? Habe ich was falsch gemacht?“
„Wieso?“, fragt sie immer wieder während es sie schüttelt, und ich kann sie dabei ganz schlecht verstehen. (Ich wiederhole mich. Das habe ich ja schon gesagt. Entschuldigung.) Es klingt so: „Whö-hö! Whö-hööööö!“ Aber sie meint diese W-Frage, die ich aus Stilgründen nicht nochmal wiederholen will.

Irgendwann gebe ich auf und gehe Tee kochen. Den wird sie brauchen. Während das Wasser heiss wird, stecke ich zur Sicherheit das Bügeleisen aus. Ich komme mit der dampfenden Tasse zurück, da ist meine Frau am Handy und heult gerade ins Telefon: „Er will mich verla-as-se-en!“

Oha-letz! Wie kommt die denn jetzt da drauf? Ich stelle die dampfende Tasse hin und zottle wieder ab. In die Küche.

Jetzt erst mal abwarten und Tee trinken – falls man ihn nicht eben seiner Frau gebracht hat. Jetzt erst mal Gedanken sortieren – falls man denn welche hat. Jetzt erst mal Ruhe bewahren – wenn man sie noch nicht verloren hat (die Ruhe, nicht die Frau! Na, ja, die auch.)

Ich muss an den Schluss dieser TV-Serie denken, die ich eben (mit-)geschaut habe. Da spricht ein Mann mit Zetteln zu seiner Frau, die nicht mehr spricht, weil sie unter multiplen Beziehungsschocks steht. Ist alles ziemlich crazy und man/frau muss es gesehen haben, damit man/frau es sich vorstellen kann, wobei man, evtl. auch frau, es dann vielleicht doch nicht so ganz kapiert. Aber egal!

Wie auch immer, ich hole Stift und Papier und schreibe meine Botschaft in Blockschrift, Grösse 120, und mache mich damit auf zu meiner Frau, die mich gerade widersinnigerweise bei ihrer Freundin schönredet, in der sich über die Jahrzehnte offenbar unschöne Worte meine Person betreffend angestaut haben.

Um die nötige Aufmerksamkeit zu bekommen, winke ich. Endlich fängt meine Frau an, die Zettel zu lesen, während das Gekeife ihrer Freundin noch auf zwei Metern Entfernung zu hören ist.

SCHATZ, ICH DACHTE, WIR KÖNNTEN ZUSAMMEN AUF DIESEM PAARSCHIFF EINE KREUZFAHRT MACHEN UND UNS DABEI NEU VERLIEBEN. INEINANDER NATÜRLICH. DASS WIR DABEI SOGAR GELD SPAREN KÖNNEN – ZUSAMMEN 300 FRANKEN (ich muss noch herausfinden, ob das pro Tag oder pauschal gemeint ist, sorry!) IST DOCH SUPER. WAS MEINST DU?

Sie meint eine Weile gar nichts. Dann legt sie das Handy hin. Dann liest sie nochmal die E-Mail auf meinem Computer. Dann liest sie nochmal meine Zettel. Dann nochmal die E-Mail. Dann schüttelt sie den Kopf und fängt an zu lachen. Dann drückt sie den roten Knopf am Telefon. Dann küsst sie mich. Dann geht sie ins Bad, wohl um das Chaos in ihrem Gesicht zu beseitigen.

Ich will schon den Link in der E-Mail anklicken, um zu buchen, als meine Frau plötzlich hinter mir steht.

„Lass es!“, sagt sie. „Ich mag keine Kreuzfahrten.“ Dabei grinst sie so blöd und geht wieder ins Bad.

Mann, Mann, Mann, ich bin reif für die Insel. Aber wie soll ich dahin kommen?

 

 

Bildcredits: By KarleHorn (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) or CC BY 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/3.0)], via Wikimedia Commons
Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.