#no_way_out

#no_way_out – Thienemann – 2013

 

 

Vor zwei Jahren wusste ich noch nicht, was ein Hashtag ist. Allenfalls stellte ich mir darunter einen total zubekifften Tag vor – ohne je gekifft zu haben!

Vor zwei Jahren kannte ich auch Alice Gabathuler noch nicht – Schande über mich!

 

Mittlerweile kenne ich mich aus mit Hashtags und weiss, dass es sich um eine „Verschlagwortung“ von Twitter handelt.

Und, das ist das Wichtigste, Alice ist zu einer Freundin geworden, die mich als Mensch und Autorin begeistert.

 

#no_way_out habe ich gelesen, und es beschäftigt mich. Thriller gehen manchmal unter die Haut. Unter die Haut geht im Buch auch bei „Mick“ sein erstes, selbstgeritztes Tattoo, und womöglich ist genau das mein persönlicher Flashback, das, was es ausmacht, dass ich mir die Story etwas auf Distanz halten muss, damit sie mir nicht zu nahe kommt.

 

Ich gehöre nicht zum Zielpublikum. Das Buch – wie alle Bücher von Alice, die ich gelesen habe – kann ich aber wunderbar aus der Perspektive eines Vaters lesen, der an seine halbwüchsigen Kinder denkt und sich ausserdem zurückerinnert an die eigene Jugend. Zitate im Buch wie „Mached usem Staat Gurkesalat“ und „Züri brennt!“ schmeissen mich subito ins Jahr 1980 zurück – und eben dahin, wo es „flashbackt“ und bald einmal dahin, wo die Emotionen Achterbahn fahren.

 

Alice zeichnet mit groben Strichen drei Welten, die anfänglich jede für sich stehen und im Lauf des Buches mehr und mehr verschwimmen: die Welt von jugendlichen Aussenseitern, die Welt von machtversessenen „Herrenmenschen“ (ein Ausdruck, der sich durch die Lektüre von „Herr Lehmann“ wieder in meinen Wortschatz geschlichen hat) und die virtuelle Welt der Medien, insbesondere auch der Social Media – immer am Anfang eines Kapitels stehen „Tweets“, die nach und nach an Bedeutung gewinnen. Grossartig gemacht!

 

Ich habe bisher drei Bücher von Alice gelesen. In allen geht es um unterdrückte, misshandelte, vernachlässigte oder missverstandene Kinder und Jugendliche. Alice geht behutsam vor, wenn sie die Verletzungen – körperliche und seelische – schildert. Sie schreibt von Narben. Die Bilder entstehen dann im Kopf der Lesenden, was sie nicht weniger intensiv macht.

 

#no_way_out ist für mich auch ein Buch, das schnörkellos folgendes aussagt: Die Mächtigen bedienen sich ihrer Macht, ohne mit der Wimper zu zucken und wenden dabei jedes mögliche Mittel an. Dazu gehören insbesondere auch Lug und Trug, Täuschung, Manipulation und Zerstörung. Das Idiotische dabei: die Opfer fühlen sich in diesem „Spiel“ sogar noch schuldig.

 

Wieso schmeisst mich das nun wieder an den Anfang der 80er? Und dann wieder zurück ins 21. Jahrhundert?

 

Zum Glück kommt die Hoffnung in #no_way_out (und in den anderen Büchern) nicht zu kurz. Dennoch habe ich den Eindruck, dass Alice in #no_way_out phasenweise darum kämpft, an das Gute zu glauben, an die Zukunft und nicht zu sehr zu hadern. Was die jugendlichen Protagonisten erleben, wie sehr sie der Welt der „Herrenmenschen“ ausgeliefert sind, ist immer an der Grenze zu einer Dystopie. Alice hätte Mick, Smiley und Edy auch vollends abstürzen lassen können (18 Meter!). Ich behaupte, sie war versucht, es zu tun. Dass sie es nicht getan hat, macht mich glücklich.

 

Beim Lesen habe ich mich lange gefragt: „Wo bleibt die Musik?“ Kurz vor Schluss taucht sie dann aus dem Nichts auf: The Beauty of Gemina – At The End Of The Sea. (Dystopie, sag ich’s doch!)

 

Für mich kommt beim Lesen von Alice‘ Büchern mittlerweile eine weitere Komponente dazu. Ich sehe die Autorin und den Menschen das Buch schreiben und mir persönlich vorlesen. Und ich erkenne sie und mich wieder, das ist das Verrückte, in allen drei Perspektiven: die Teenager, die Eltern und die Autorin/der Autor.

 

In diesem Sinne: #no_way_out ist ein weiteres berührendes Highlight. Danke Alice!

 

Noch was: Man schreibt immer von den „ersten Sätzen“ eines Romans und wie wichtig die sind und so weiter. In #no_way_out finde ich einen der berührendsten und phantastischsten Schlusssätze, die ich je gelesen habe.

 

Ich gehöre zu den Lesern, die NIEMALS den Schluss lesen, bevor das Buch nicht wirklich zu Ende gelesen ist. Natürlich werde ich den Schluss auch NIEMALS ausplaudern. Kauft das Buch! Lest es!

 

#no_way_out (zur Autorinnenseite)

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.