Musical

 

Gestern war die letzte Vorstellung unseres Musicals „Zottel oder Was für n’es Gschiss!“. Wie immer kommt Wehmut auf, eine gewisse Leere, vor allem aber Freude, dass alles so wunderbar geworden ist.

 

Damit bin ich beim eigentlichen Thema:

Fantasie und Wirklichkeit, die schmale Grenze dazwischen und die Wechselwirkung der beiden.

 

Am Anfang ist so ein Theaterstück (wie alle Geschichten) nur ein Gedanke, der sich weiterentwickelt zu einem theoretischen Gebilde, vage noch wie der Traum von letzter Nacht. Die Lieder reihen sich auf im Kopf, Musik fängt an zu klingen, aber eben nur als Neuronengewitter.

 

Beim Schreiben drängen reale Dinge, Erinnertes plötzlich an die Oberfläche. Sätze aus der Kindheit, Familiensprüche, längst vergessene Szenen schmuggeln sich ins Skript. „Der hat doch einen Kiosk an der Eigernordwand!“, ist so ein Beispiel, das wir Kinder genüsslich brauchten, wenn wir fanden, jemand sei bekloppt, also „geschüttelt“.

 

Irgendwann ist das Stück geschrieben. In meinem Kopf läuft es ab wie ein Film, den nur ich sehen kann mit dem Soundtrack, den nur ich hören kann. Dann die ersten Proben. Alles wirkt steif und unbeholfen, weil ein Film in Papierform eben nicht so toll ist.

Das Ziel – die Aufführung – vor Augen wird die Arbeit intensiver, einzelne Szenen fangen an zu „leben“, beim einen oder anderen Lied gibt’s Gänsehaut.

 

Dann die Aufführung: der ganze Körper macht mit, nimmt die Schwingungen auf. Ich stehe mitten in der eigenen Geschichte und schaue zu, wie meine Gedanken dreidimensional geworden sind. Das Publikum geht mit, die Kinder spielen und singen, dass es eine Freude ist, die Band versteht sich blind. Alles wird so real, dass ich schon in Zweifel ziehe, das Stück erfunden zu haben. In gewisser Weise ist es eine ausserkörperliche Erfahrung, so als betrachte ich meine Gedanken von aussen. Gleichzeitig bin ich mitten im Geschehen, fokussiert auf den Moment.

Es ist die Schnittstelle zwischen Fantasie und Realität. Der schmale Grat auf dem wir Schreibende uns bewegen.

 

Nun ist es vorbei, zu dem geworden, was es ursprünglich war: Gedanken, die ich nun Erinnerung nenne. Der Unterschied ist der: nun teilen diese Gedanken viele hundert Leute und alle auf eine eigene persönliche Weise.

 

Ich stehe im aufgeräumten Singsaal, wundere mich über die eigenartige Leere, die mir der Widerhall meiner Schritte noch bewusster macht.

 

Leere ist eben auch Platz für Neues!

 

 

(Die Ziege bestimmt mit ihrer Hinterlassenschaft, wer Bürgermeister wird.)

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.