Meinungsumfragen

Meinungsumfragen

 

Immer, wenn jemand etwas „gemeint“ hat, haben wir als Kinder gnadenlos gefragt: „Weisst du, wer meint? Narren und Bettseicher!“

„Welches historische Ereignis steht hinter dem 1. August?“, fragt die Coopzeitung in ihrer Ausgabe Nr. 29 in der Rubrik „Meinungen“. Damit wagt sie für einmal den Schritt von Umfragen weg, in denen es wirklich um Meinungen geht.

 

Worüber kann man eine Meinung haben?

Alles, was Ansichtssache ist, taugt für Meinungsumfragen. Hier einige Beispiele:

Mögen Sie Blauschimmelkäse?

Wie gross sollte der Frauenanteil in einem Verwaltungsrat sein?

Darf man eine original Olma-Bratwurst mit Senf essen?

 

Worüber kann man keine Meinung haben?

Welches ist die Hauptstadt der Schweiz?

Wie heisst der grosse See, an den Österreich, Deutschland und die Schweiz grenzen?

Um welche herausragende Persönlichkeit geht es im Film „Ghandi“?

Und ACHTUNG!

Welches historische Ereignis steht hinter dem 1. August? (man könnte die Frage natürlich noch präziser stellen)

 

Trivial Pursuit

Die letzten Fragen gehören allesamt in den Bereich „triviale Verfolgung“ – also zu den (nutzlosen) Wissensfragen, die dir seit den ersten Schultagen bis hin zum Millionenquiz im Nacken sitzen.

Noch fieser, als wenn jemand falsch gemeint hat, sind wir als Kinder nur noch dann gewesen, wenn jemand etwas nicht gewusst hat (oder den falschen Pulli getragen hat, doch das ist eine andere Geschichte!)

 

Zurück zu besagter „Meinungsumfrage“ zum 1. August

Mein Eindruck ist, dass es bei dieser Frage vor allem darum geht, zu zeigen, wie viele Schweizerinnen und Schweizer noch nicht mal wissen, warum wir den 1. August feiern. In diesem Sinne ist es eine richtig fiese Lehrerfrage, bei der von Anfang an klar ist: Es kann nur Verlierer geben.

Die Antworten sollen gemäss Zeitung so ausgefallen sein (zumindest kann man das einem hübschen Kreisdiagramm in den Coopfarben entnehmen):

22% weiss nicht, 26% etwas anderes, 45% Rütlischwur, 1% Tells Apfelschuss, 6% Bundesverfassung von 1848

Mir persönlich gefällt am besten das mit 1848. Das gibt der „Meinungsumfrage“ einen seriösen Touch. Jahreszahlen kennen kommt meistens positiv rüber. Ausser … man meint!

 

Die Meinung der Redaktion

Ja, ja! Die Redaktion hat auch eine Meinung. „Die richtige Antwort ist Rütlischwur“, schreibt sie.

Damit beweist sie zwei Dinge:

a) Es handelt sich nicht um eine Meinungsumfrage.

b) Sie hat keinen blassen Schimmer, welches historische Ereignis hinter dem 1. August steht.

 

Meinen vs. Wissen

Ein wenig Klugscheisserei muss nun sein:

Das Ei, das sich die Coopzeitung gelegt hat, ist in diesem Zusammenhang sogar doppelt interessant, weil es beispielhaft für den Unterschied zwischen Meinen (im Sinn von nicht sicher sein) und Wissen steht.

Der Rütlischwur könnte natürlich stattgefunden haben. Er wird erstmals im „Weisses Buch von Sarnen“ erwähnt (1470 bis 1472) und von Aegidius Tschudi Mitte des 16. Jahrhunderts auf den 8. November 1307 festgelegt.

Der 1. August und das Jahr 1291 hängen jedoch mit dem „Bundesbrief von 1291“ (siehe Wikipedia) zusammen.

Warum genau der 1. August als Nationalfeiertag der Schweiz gewählt wurde – und was zum Beispiel die Urner mit „ihrem“ Tell davon hielten und ihm als Reaktion das Denkmal in Altdorf (mit der Jahreszahl 1307) errichteten – ist wie vieles zu komplex, als dass man es auf eine halbe Seite schreiben könnte. Ja, es hat noch nicht mal in meinem Blog Platz.

 

Wissen oder Meinen ist eh egal

Am Ende dieses Artikels fühle ich mich als besserwisserischen Klugscheisser. (Ich weiss es wirklich besser, haha!) Denn, und das dämmert mir immer häufiger, es geht am Ende weder um Wissen noch um Meinen, es geht um Fühlen.

Die eigentliche Frage der Meinungsumfrage müsste also lauten: „Was fühlen Sie am 1. August, wenn Sie eine Coop-Olma-Bratwurst oder eine Coop-Cervelat essen und alle Ihre Nachbarn Coop-Raketen in den heimatlichen Himmel schiessen?

Ich persönlich fühle mich super dabei, sofern keine Rakete auf meinem Grundstück landet. Dann allerdings habe ich es mit unserm Nationalheiligen Bruder Klaus „Machet den Zaun nicht zu weit!“ Ja, und dann haben wir auch den Salat. (Finden Sie selber heraus, warum!)

 

Wie blöd sind wir eigentlich (gemäss Meinungsumfragen)?

Eines, und das ist nun wirklich nicht satirisch gemeint, bin ich mir sicher, liebe Leserin, lieber Leser, es ist vollkommen unmöglich, dass 0% wissen, warum wir den 1. August feiern. Also ich zumindest hätte es gewusst.

Aber mich fragt ja keiner. Oder keine.

Was natürlich auch möglich ist, dass sich die richtigen Antworten bei den 26% „etwas anderes“ finden liessen.

 

Bildcredits: [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html)], via Wikimedia Commons

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.