KonText

 

Victor Giacobbo in einem Interview des Tagesanzeigers über die jüngsten Rassismusvorwürfe an Satiriker und Komiker: Hier geht’s zum Beitrag.

 

Zentral für mich die Aussage, der ich sehr beipflichte:

 

Satire ist eine Unterhaltungsform, welche die Realität als Material benutzt.

 

Wobei Realsatire die zwar unfreiwillige, aber nichtsdestotrotz höchste und reinste Form der Satire darstellt.

 

Dass man mit Satire zu weit geht, dass man sich auch mal im Ton oder in den Mitteln vergreift, kommt vor. Wenn ich Giacobbo richtig verstehe, sollen darüber aber nicht die Gerichte sondern die Leute entscheiden, die unterhalten werden sollen: das Publikum. Indem es applaudiert, indem es lacht, indem es an Vorstellungen kommt oder eben fernbleibt, Zustimmung verweigert und den „Diskurs sucht“.

 

Ich selber betrachte Satire – genauso wie Musik oder Texte schreiben – als „Spiel“ mit vorhandenen Elementen. Das Leben ist wie ein unendlich grosser „Lego-Baukasten“. Genauso wie man Moleküle, ja einzelne genetische Codes, in einen anderen Zusammenhang stellt, geht es bei kreativer Unterhaltung darum, Bausteine spielerisch neu zu arrangieren, auf eine Art und Weise, die das Publikum fesselt, zum Nachdenken bringt, zum Lachen, zum …, eben unterhaltet.

 

Wenn Stefan Heuss Alltagsgegenstände in einen neuen Kontext bringt, ist das irre witzig. Wenn Simon Enzler Blockflöte mit einer Spraydose spielt oder Leserbrieftexte zitiert, könnte ich mich kringeln vor Lachen. Wenn Ursus und Nadeschkin Beethoven erklären, ist das nicht nur grosse Kunst, das ist Clownerie, Satire, Spass, Bildung und eben beste Unterhaltung. Wenn Charlie Chaplin als Diktator mit einer Weltkugel spielt, ist es für die Ewigkeit.

 

Wie gesagt, man kann zu weit gehen, Gefühle verletzen oder – im Extremfall – dabei straffällig werden. Aber Staatsautoritäten zu bemühen, über Satire, Cabaret, Literatur, usw. zu richten, ist eine gefährliche Sache. Dort, wo der Staat ein waches Auge auf die Kunstschaffenden hat, ist es in der Regel nicht weit her mit Demokratie und Freiheit.

 

Ich warte auf den Tag, da jemand versucht „Völkerball“ an den Schulen zu verbieten. (Oh, ich glaube das ist schon geschehen!) „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann“ haben wir ja ganz von selber abgeschafft. Mit den Ersatzwörtern für dieses Spiel könnte man locker eine Satirenummer machen, die erstens unterhält, zweitens Doppelmoralisches und Pseudonettigkeiten herausschält. Mir macht’s (wohl aus Trotz) einfach keinen Spass mehr, dieses Spiel zu spielen.

 

Was aber gibt es besseres für das Ego eines Satirikers / einer Satirikerin, als dass eine Nummer verboten wird? Ich gebe heute noch damit an, dass meine erste Cabaret-Nummer überhaupt zensiert wurde. Damals (1983) war ich 18, wir feierten 20 Jahre Kantonsschule und die Cabaret-Tradition sollte zum Fest gepflegt werden. Ich schrieb begeistert und lustvoll eine Nummer zum Abschuss eines zivilen Verkehrsflugzeuges der Korean-Airlines (eine Boing 747), Flug 007, über der Insel Sachalin durch die sowjetische Luftwaffe. Ich habe das in den Kontext eines Computerspiels gestellt – wir hatten eben einen Computerraum bekommen an unserer Schule mit sage und schreibe drei oder vier Commodore 64. Den geladenen Gästen, allen voran Bildungsdirektor Rüesch, hat die Nummer derart den schönen Abend verdorben, dass wir sie am zweiten Abend nicht mehr aufführen durften. Man hat es uns eine Stunde vor dem Auftritt ausrichten lassen. Ich spreche übrigens von jenem Ernst Rüesch, der „seine“ Lehrkräfte als „Plattfussindiander“ bezeichnete. – Da ist der Herr Steinbrück ein Waisenknabe gegen den Herrn Rüesch! In besagtem Cabaretprogramm gab es auch Nummern mit Inhalten wie „Ha, ha, unser Rektor hat eine Glatze!“, die bei den Autoritäten wohlwollender aufgenommen wurden.

 

Tempi passati!, wie der Lateiner / die Lateinerin sagt oder mein Protagonist Peter Studer, der gerade deswegen so liebenswert herüberkommt, weil er Zusammenhänge oft nicht so herstellt, wie „man“ es sich gewohnt ist.

 

Was ist nun meine Botschaft?

 

KonTexten wir weiter!

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.