Warum ich Mountainbiking aufgegeben und Katzen zu hassen angefangen habe

Die wahre Geschichte einer Verkettung widriger Umstände

Jetzt vor zwölf Jahren war ich viele Kilos leichter und fit wie ein Turnschuh, besser gesagt, wie ein Veloschuh. Mit zwei Kumpels machte ich mich frühmorgens auf, um ein paar Tage im Tessin zu verbringen. Mountainbiking. Yeah!

Als wir aus dem Südportal des San-Bernardino-Tunnels fahren, ist das Wetter trüb. Wir machen uns gegenseitig Mut, es würde besser werden. Muss es einfach. Weil niemand Lust hat, drei Tage im Regen durch die steilen Berge zu strampeln, ohne die Chance auf Aussicht – man nennt das aussichtslos – zu haben.

Am Startpunkt parkieren wir das Auto, holen unsere Bikes vom Dach, machen eine „Tenüfeez“ und schwingen uns noch bei trockener Witterung auf die Sättel. Kaum wird der Anstieg so richtig steil, setzt der Regen ein. Ein Verweilen am höchsten Punkt der Tour ist sinnlos. Auf der Abfahrt steht das Wasser zum Teil knöcheltief.

Ich fange an zu frieren und sehe mich schon frisch geduscht in einem Grotto sitzen, Risotto mit Lammfilets bestellen. Ein schmerzhafter Schlag auf meinen Allerwertesten zeigt, dass ich im wahrsten Sinne des Wortes auf den Felgen bin. Der Hinterreifen ist platt. Natürlich habe ich einen Ersatzschlauch dabei. Natürlich kann ich Schläuche auch mit klammen Fingern wechseln. Natürlich habe ich eine neue Velopumpe dabei. Sie presst auf Zug und Stoss Luft in den Schlauch. Als ich sie vom Ventil lösen will, will sie nicht. Sich lösen. Der entsprechende Hebel sitzt fest. Nach Einsatz massiver Gewalt bricht er ab. Die Pumpe will (als hätte sie ein Eigenleben) scheinbar für immer am Ventil festsitzen. Schnell sind wir uns einig, dass nur noch massivere Gewalt das Problem beheben wird. Wir zerren so lange an der Pumpe, bis wir das Ventil aus dem Schlauch reissen. Zurück auf Feld Eins.

Meine Kollegen haben natürlich auch Ersatzpneus dabei und logischerweise Pumpen. Doch unsere Nerven sind schon etwas angespannt, denn wir sind nun richtig durchgefroren und wollen einfach so schnell wie möglich ins Tal und zum Auto. Es ist beschlossene Sache: wir wollen nur noch heim, also auf die andere Seite der Alpen, wo es nicht in Strömen giesst und deutlich wärmer ist.

Irgendwann sind wir beim Auto. Schweigend zurren wir die Räder auf dem Dachträger fest. Dann wieder Tenüfeez und ab ins Auto, wo hoffentlich bald die Heizung Wärme liefern wird.

Als wir auf die Autobahn einfahren, vibriert das ganze Fahrzeug. Meine beiden Kumpels, beides gelernte Mechaniker und aktive Lokomotivführer, sagen wie aus einem Mund: „Kardanwelle.“
„Kardanwelle???“, denke ich, sage aber nichts. Ich habe keine Ahnung, was eine Kardanwelle ist und will mich nach dem Intermezzo mit der Velopumpe nicht noch mehr zum Affen machen.

Wir fahren mit 60 auf der Autobahn und beim erstbesten Ausstellplatz rechts ran. Der Abschleppdienst lässt auf sich warten. Endlose Gespräche, die ich nicht verstehe, finden auf Italienisch statt. Schliesslich werden wir zu einer Autogarage gefahren – irgendwo in der Pampa.

Mittlerweile ist es 20 Uhr. Mein Zuckerloch droht das ganze Universum zu verschlingen. Doch es ist noch nicht vorbei. Eine Reparatur des Autos scheint unmöglich. Es braucht tatsächlich eine neue Kardanwelle. Meine Kumpels freuen sich zwar, dass sie recht hatten. Gleichzeitig hassen sie es. Denn, wir brauchen einen Ersatzwagen, der nicht vor Ort ist.

Gegen 22 Uhr trifft der Ersatzwagen ein und wir brausen los. Allerdings können wir unmöglich direkt nach Hause fahren. Wir brauchen Futter. Das einzige Futter, das um diese Zeit zu haben ist, finden wir in einem McDonald‘s vor Bellinzona. So viel zum Grotto, dem Risotto, dem Lammfilet, dem … ach! Aber flaue Hamburger in latschigen Brötchen, dazu Pommes, sind super, wenn man kurz vor dem Verhungern ist.

Erst nach Mitternacht sind wir zu Hause. Ich schmeisse meine Tasche vor die Haustür und verabschiede mich von meinen Kumpels. Mein Velo ist im Tessin geblieben. Egal. Hauptsache, ich bin endlich zu Hause und dieser Alptraum hat ein Ende. Ich schliesse auf, öffne die Tür, schnappe meine Tasche, trete ein und lasse erst mal alles im Eingang stehen.

Ich plaudere noch mit meiner Frau. Kurz vor dem Zusammenbruch hole ich meine Tasche im Eingang. Als ich sie hochhebe, schlägt mir ein penetranter Duft entgegen. Es riecht eindeutig nach Katzenkacke. Doch warum?

Auf dem Teppich und unter meiner Tasche finde ich die Quelle dieses Übels (womöglich allen Übels?). Als ich den Zusammenhang begreife, reisse ich die Haustür auf. Da, auf der Fussmatte, liegt er: der nun plattgedrückte Superhaufen von Scheisse der perfidesten Katze überhaupt. Ich hasse sie heute noch, obwohl sie ihre 7 oder 9 Leben vermutlich längst aufgebraucht hat. Ich hasse sie auch damals spontan abgrundtief, als ich den Eingangsteppich und die Fussmatte auf den Vorplatz schleife, um mit dem Schlauch die Kacke mitten in der Nacht wegzuspülen. „Hoffentlich erwachen alle Nachbarn mit ihren scheissenden Scheisskatzen!“, denke ich. Doch diese Hoffnung erfüllt sich nicht.

Ich habe an diesem Tag folgendes gelernt:
Schlimmer geht immer.
Ich hasse Katzen.
Sport ist Mord.
Wenn die Kacke noch am Dampfen ist, solltest du die Aussenbeleuchtung anmachen.

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.