Katzen auf dem Gesundheitstrip

Es ist Januar. Zeitgleich mit dem letzten Bissen Dreikönigskuchen beginnt der mediale Angriff der Gesundheits- und Paarvermittlungsindustrie. Letztere, also die Arche Noah für paarungswillige Juniorchefs und Verwaltungsrätinnen in Kaschmirpullovern, veröffentlicht beinahe stündlich den Verlust einer Kundin oder eines Kunden. Was mir auf die Dauer doch nahegeht.

Ich selber bin ja weitgehend immun gegen Gesundheitstipps. Weil ich mich dagegen geimpft habe. Kann ich nur empfehlen. Lassen Sie sich am besten gleich schon am 2. oder 3. Januar impfen und Sie fühlen sich das ganze Jahr hindurch kerngesund!

Katzen scheinen jedoch ganz und gar nicht gegen die Gesundheitswelle zum Jahresbeginn gewappnet zu sein – vermutlich, weil man sie nicht dagegen impfen kann, die armen Viecher in den Wohnstuben aber trotzdem gnadenlos dem Werbefernsehen aussetzt. Folgendes habe ich beobachtet:

Katzen auf dem Gesundheitstrip

Weil es geschneit hat, und zudem bitter kalt ist, habe ich ein Futterhäuschen für die Vögel aufgestellt. Darin gibt es ein reichliches Angebot von Körnern und allerhand Getreideflocken – alles Vollkorn und naturbelassen. Einige Vögel, zum Beispiel das fette Amselmännchen, veranstalten eine ziemliche Schweinerei beim Fressen und verteilen die Körner rund um das Futterhäuschen in meinem Garten.

Das hat zu meiner allergrössten Verblüffung Katzen angelockt. Aus allen Richtungen ziehen sich ihre Spuren sternförmig über die verschneite Wiese hin zum Futterhäuschen. Ich habe schon Katzen beobachtet, die regelrecht darauf lauern, dass endlich wieder mal ein Sonnenblumenkern oder eine Haferflocke zu Boden fällt. Allzu oft ziehen die Katzen dabei den Kürzeren. Flugs (sagt ja schon das Wort) fliegt ein frecher Buchfink herbei, setzt sich auf den Schnee, die Katze springt. Doch der Buchfink ist schneller und rauscht mit seiner Beute in den nächsten Baum, wo er sich, die Katze verhöhnend, die wertvollen, Ballaststoffe mit den Beta- und Omegasäuren für den Wohlfühldarm einverleibt.

Irgendwann haben mir diese armen Katzen so leid getan, dass ich mich ihrer erbarmt und ihnen Schälchen mit Vogelfutter in die Wiese gestellt habe. Das scheint sich schnell herumgesprochen zu haben, denn die Katzendichte in meinem Garten ist seither stetig angewachsen.

Die Vögel allerdings entpuppen sich als nicht besonders solidarisch. Sie scheinen eingeschnappt zu sein und haben wenig Lust, mit den Vierbeinern das Futter zu teilen. Wie sonst kann man erklären, dass immer mehr Vögel aus Protest meinem Garten fernbleiben und ihr Futter offenbar lieber bei Menschen holen, die wenig Verständnis für gesundheitsbewusste Katzen haben?

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.