Das Aufwärmen an der Kasse
Eine von drei Kassen ist geöffnet. Die andere Verkäuferin / Kassiererin / Logistikerin / etc. pp. befindet sich entweder im Lager, an der Lieferrampe, beim Fleisch, bei den Pfandflaschen, beim Gemüse, beim Auffüllen, beim Kartonentsorgen oder (sehr unwahrscheinlich) in der Pause oder aufm Klo. Aber das macht nichts. Ich stehe an dritter Stelle in der Kolonne und habe nur ein wenig Gemüse, ein Brot und ein Sonderangebot (das ich aus Datenschutzgründen nicht verraten möchte) im Körbchen.
Vorläuferinnen und Vorläufer
Schon im Produkterfassungsvorgang befindet sich ein Herr mittleren Alters mit einem Einkauf, der mich deprimiert, weil er nach Einsamkeit ausschaut. Also der Herr und der Einkauf. Beide. Zwischen ihm und mir, um den Gendergap zu füllen – oder aus purem Zufall – eine Frau unbestimmten Alters (ich habe da immer noch diese Schere im Kopf und mache mir grundsätzlich nie Gedanken über das Alter einer Frau), die entweder einen Kindergeburtstag plant oder ganz für sich einen Zuckerflash.
Die Konkurrenz
Wie aus dem Nichts tauchen hinter mir inflationär weitere Kundinnen und Kunden auf. Eine Seniorin, die ihre Einkäufe ins Körbchen des Rollators gelegt hat, dahinter eine Mutter ohne Kind sowie ein Banker, der ausnahmsweise schon um 16.30 Uhr Feierabend gemacht hat.
Taxieren
Woran ich den Banker erkenne, fragen Sie sich? Na ja, der trägt Schale. In unserem Dorf tragen ausschliesslich Banker Schale. Alle anderen schämen sich am Schalter der Bank beim Anstehen und sowieso beim direkten Kontakt mit dem Banker für ihre Alltagsklamotten. Wie schnell man sich doch als Bittsteller fühlt, wenn man sein eigenes Geld abheben will.
Pole-Position
Hinter mir fangen sie schon an, mit den Füssen zu scharren. An Schweizer Kassen, muss man wissen, ist die Pole-Position nicht wie üblich vorne sondern ganz am Ende der Kolonne. Und da kommt auch schon das Startzeichen: „Kasse 2, bitte!“ Reflexartig setzen sich alle hinter mir in Bewegung. Die Seniorin versucht dem Banker mit ihrem Rollator den Weg abzuschneiden. Die Mutter ist einen Tick zu spät, weil just in diesem Moment ihre eigene Mutter, also die Oma des Kindes, ein Bild schickt, auf dem zu sehen ist, wie die Kleine schon ganz alleine die Fernbedienung bedient oder sich der Windel entledigt hat oder dem Hund die Handschuhe angezogen oder was weiss ich. Fragen Sie mich nicht! Nie wieder!
Der $ieger
Natürlich gewinnt der Banker, lässt sich aber nicht soweit herab, den Sieg auszukosten. Er ignoriert mich und alle anderen geflissentlich und stellt sich mit diesem Alexander-Der-Grosse-Blick, der in die Ferne schweift, also über seine Truppen und die eroberten Gebiete, schon mal zuvorderst an Kasse 2, löst dann den Blick in die Ferne, um auf der sackteuren Schweizer Präzisionsuhr, die präzise Schweizerzeit zu checken.
Das Rennen geht weiter
Die Angestellte Nummer 2 schafft es zur Kasse 2, bevor der Herr vor mir an Kasse 1 seine Rabattmarken einlöst, die vom „System“ auch beim dritten Versuch nicht akzeptiert werden. Der Banker ist durch, als ich an zweiter Stelle bin und die Dame vor mir merkt, dass sie die verdammten Bananen (Stichwort: Coupe Dänemark!) nicht gewogen hat. Schwubsdiwubs haben mich rechts – RECHTS! – auch noch die Seniorin mit dem Rollator, die Mutter ohne Kind mit dem Wocheneinkauf, der Dreissigjährige mit dem Hautausschlag (also den hat er nicht gekauft) sowie der Teenager mit den teuren Kopfhörern und den billigen Biskuits überholt.
The Winner Takes It All
Wiedermal die Arschkarte gezogen, denke ich und versuche mich nicht aufzuregen, da ich ja nun an der Reihe bin. Da kommt die Mutter ohne Kind mit gehetztem Blick in den Laden zurück und steuert von vorne – Sie haben richtig gelesen: von vorne! – an MEINE Kasse, von schlechtem Gewissen getrieben, weil sie offenbar aus Versehen oder Gewohnheit oder Dämlichkeit (Letzteres sollte man in diesem Zusammenhang weder schreiben noch denken – es sei denn, man(n) möchte sich als Machoarschloch outen, aber das ist mir mittlerweile so egal) sechs Mineralwasserflaschen, aussen am Einkaufswagen, „sorriiiiiiy!“, nicht deklariert, also faktisch gestohlen hat. Was sie nun reuig zugibt und mit diesem verzweifelten Lächeln, das ich ihr einfach nicht abschlagen kann (ich habe meine Gewaltfantasien im Griff!), MEINE Kassiererin, die nach allen Regeln der Fairness eigentlich schon viel früher für mich hätte da sein müssen, in Beschlag nimmt, um ihr schlechtes Gewissen zu erleichtern.
Die Pose des Verlierers
Ich hasse sie aus tiefstem Herzen, diese Kuh, als sie nochmal ihre Kundenkarte zieht. Ich hasse auch die Kassiererin, die eigentlich nichts dafür kann, aber im falschen Moment für die oder den Falsche_n kundenfreundlich bleibt. Ihnen allen zeige ich den Stinkefinger.
In meiner Jackentasche.
Bildcredits: By Tijmen Stam (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) or CC BY-SA 2.5-2.0-1.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5-2.0-1.0)], via Wikimedia Commons