Humor

Ich habe schon eine Weile nichts mehr geschrieben. Hier im Blog meine ich. Das hängt damit zusammen, dass ich intensiv an Buchprojekten arbeite. Ich spüre aber auch Verunsicherung bezüglich Humor im Zusammenhang mit aktuellen Themen. Ein Selbst-Erklärungsversuch:

Das Schweigen des Unschuldslamms

Es drängt mich, über Nationalismus zu schreiben, das Bauen von Mauern, den Wutbürger, das Erfinden von Fakten, das Aufhetzen, das Herabwürdigen und so weiter. Dann wird meine Schreibe spitz und mein Humor so bissig, dass er mir keine Freude mehr macht.

Ich möchte mich auf satirisch-pragmatisch-klugscheisserische Art zu Genderfragen äussern, Sprüche über den neusten Stricktrend und den Mangel an pinkfarbener Wolle machen, mit erhobenem Zeigefinger den Vaterschaftsurlaub als Zementierung von Ungleichheit ächten, männlich-machoides Machtverhalten als Wurzel allen Übels orten, den Homophoben eins ans Bein geben. Was mir verleidet, wenn ich sehe, wie gründlich die Leute sich zu diesen Themen missverstehen wollen.

Zum Bildungssystem hätte ich noch mehr  zu sagen als im letzten Artikel, zur Bologna-i-sierung der Pädagogischen Hochschulen, zum fehlenden Praxisbezug derselben, zur zweiten Fremdsprache auf der Primarstufe, zur Unfähigkeit der Berufsverbände, zum kontrollwütigen Verwaltungsapparat und der Inflation von Spassbremsen in unseren Schulstuben. Meine Texte lösche ich, weil ich Humorlosigkeit nicht mit humorlosen Texten kritisieren will.

Die Reform der Altersvorsorge drängt sich als Thema auf. Wenn es nicht zum Weinen wäre, würde ich darüber lachen, denke ich. Wieso bezahlen wir die Entschädigungen für unsere Parlamentarier nicht in einen Fonds ein, auf den diese erst in 30 Jahren Zugriff haben, will ich fragen. Das ist zumindest ansatzweise witzig. Vielleicht bringe ich das noch.

Nicht wenig Lust hätte ich, mich über diesen Komiker mit der Sascha-Lobo-Frisur auszulassen, diesen Koranexperten mit dem Cüpliglas. Titel: Der Humor des Selbstgerechten. Doch wie soll ich verhindern, dabei noch selbstgerechter zu wirken oder – schlimmer – es tatsächlich zu sein?

Zu gerne möchte ich einen noch humorvolleren, wenn auch bösen,  Spruch zur Abwahl dieses Staatsrats mit einer Reichskriegsflagge im Keller machen. Doch es fällt mir keiner ein.

Also hülle ich mich in (vornehmes) Schweigen und trinke Wasser, ohne Wein zu predigen.

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.