Letzten Freitag – Veranstaltung in der Bibliothek der HTW in Chur mit Urs Heinz Aerni, Journalist und Autor im Gespräch mit:
-
Tanja Kummer, Autorin, Kolumnistin und Buchtipp-Redaktorin SRF3
-
Güzin Kar (hier als Gast bei Giacobbo / Müller), Autorin, Kolumnistin und Filmemacherin
u.a. „Fliegende Fische“ und mit -
Sabine Reber, Autorin, Kolumnistin Coopzeitung und Tages-Anzeiger
Es geht um praktisch angewandte Literatur, das Selbstverständnis von Schreibenden und die Frage: Was hat das eigene Leben mit den Texten zu tun und umgekehrt?
Urs Heinz Aerni, ein Mann des Wortes, ein Vielreisender in Sachen Literatur, zieht die Gedankenfäden und lotst die Schreibenden im Podium und das Publikum zielsicher durch den Abend.
Ich erfahre, dass Sabine Reber einmal eine Katze totgeschrieben hat. Seither hat sie Angst, noch grössere Katastrophen auszulösen, wenn sie etwas allzu gut erfindet. Schreiben ist für sie manchmal ein virtuelles Ausprobieren einer anderen Wirklichkeit, die sie dann vielleicht gar nicht mehr umsetzen will. Als Kind war sie der Meinung, alle Erwachsenen schreiben, also fing sie an, dieses Verhalten zu kopieren. Die klappernde Tastatur ihres Vaters begleitet sie noch heute.
Meine Familie versucht mich seit Monaten davon zu überzeugen, dass ich eine neue Tastatur brauche – vergeblich. Nun erst recht!
Tanja Kummer darf die Bücher echt selber auslesen und unbeeinflusst darüber berichten. Das gibt mir zu denken. Wow! Sie existiert noch, die Freiheit in den Medien – zumindest im Buch-Tipp auf Radio srf3. Ich beneide sie. Lesen und Schreiben als Beruf. Es gab eine Zeit, da wollte ich selber Buchhändler werden (Tanja Kummers Wurzeln). Ich hatte den Mut nicht dazu. Ein Leben führen als Bastian Balthasar Bux (Unendliche Geschichte). Tanja Kummer ist eine Grenzgängerin zwischen den Wirklichkeiten. Das Schöne dabei: man muss keinen Ausweis vorlegen, um die Grenze zu überschreiten. Das Schwierige dabei: sich nicht zu verlieren. Tanja Kummer vergleicht den Text mit einem Teig: man muss ihn aufgehen lassen. Nochmal Wow!
Güzin Kar spricht darüber, dass gute Kolumnisten besonders auch über sich selber lachen. Vor allem spricht sie immer wieder über Wahrhaftigkeit. Das geht unter die Haut. Sie ist eine „Ein-Frau-Minderheit“ – immigrierte Türkin, im Fricktal aufgewachsen. Ihre Welt sind die Bilder, beziehungsweise der Film. Dabei hat sie ein unverfilmbares Buch geschrieben, laut Güzin Kar, eines der grössten Komplimente für eine Autorin. Wenn sie Zeitungskolumnen für die Buchausgabe überarbeitet, macht sie einen Perspektivenwechsel, weil die Lesesituation ihrer Leserschaft mit dem Buch eine andere ist. Mich hat ihre Professionalität beeindruckt – ich denke, sie weiss, wann sie was, warum macht. Das ist ein erfrischender Gegensatz zum Vorurteil der sich selbst finden wollenden Autorin, die zwischen zwei Buchdeckeln versucht, dem Chaos ihres eigenen Lebens zu entfliehen oder sich dieses zu erklären.
Die Bibliothek der HTW präsentiert sich als Treffpunkt, wo man sich beim stilvollen Apéro – mit Pianobegleitung – austauscht und Leute kennenlernt. Die Bibliothekarin, Cristina Carlino, ist die perfekte Gastgeberin. Hinter der Veranstaltung steht der Ehemaligen-Verein der HTW, Alumni – ungewöhnlich und beeindruckend. Die lokale Buchhandlung, Conradi, ist da und verkauft Bücher: Schnittstelle zwischen Ausleihen und Kaufen. Sandra Conradi lädt mich zum Kaffee in ihre Buchhandlung ein. Ich werde kommen.
Ich lerne einen Autorenkollegen kennen, Vincenzo Todisco. Das Schöne bei Begegnungen mit anderen Autoren: du musst ihnen nicht erklären, warum du Autor bist.
Allen, die da sind, geht es ums Kopfkino, darum, die Grenzen dieser Gedankenwelt auszuloten und zu definieren. „Nicht verrückt werden“ ist ein Ziel, das Güzin Kar mit Schreiben verfolgt, den Kampf gegen Tod und Wahnsinn. Sabine Reber macht Kopfstand, bis ihr etwas einfällt. Tanja Kummer fühlt sich privilegiert und bereichert durch die vielen Bücher, die sie lesen darf.
Beim Verabschieden taufe ich ein paar Leute um. Die einen scheinen mit ihren neuen Namen zufrieden zu sein. Jemandem hat Kathrin nicht gefallen. Sie heisst nun Erika 😉