Vor ziemlich genau 230 Jahren wurde 20km Luftlinie von meinem Wohnort Anna Göldin der Hexerei bezichtigt, verurteilt und enthauptet. Sie war eine der letzten Frauen Europas, die auf diese Weise sterben musste.
Es wird vermutet, dass ihr Dienstherr ein Verhältnis mit ihr hatte. Auf Wikipedia und auch anderswo findet sich die entsprechende These.
Eveline Hasler gab 1982 ein fantastisches Buch heraus mit dem Titel „Anna Göldin, letzte Hexe“. Sie beschreibt darin eindrücklich, in welcher Welt Anna Göldin lebte und wie es dazu kam, dass der Staat nicht davor zurückschreckte, sie zu töten. 226 Jahre später, vor jetzt vier Jahren also, rehabilitierte sie der Glarner Landrat und anerkannte, dass Anna Göldin Opfer eines Justizmordes war (Quelle: Wikipedia). Das Thema wurde auch verfilmt.
Heute lese ich im „Guardian“ folgendes: In Saudi-Arabien ging eine Familie auf Einkaufstour. Gemäss Aussage des Vaters, benahm sich die 13-jährige Tochter plötzlich eigenartig. Dies nachdem ihr eine Frau aus Sri Lanka nahe gekommen war. Der Vater zeigte die Frau bei den Sicherheitskräften an. Sie wurde unter dem Vorwurf verhaftet, die 13-Jährige verhext zu haben. Der Beschuldigten droht nun die Todesstrafe durch Enthauptung. Den englischen Artikel findet man auf der Homepage von „theguardian“.
Eine schnelle Internetrecherche zeigt, dass dies kein Einzelfall ist. Wie lange wird es dauern, bis künftige saudische Generationen diese Fälle von Hexentötungen als Justizmord anerkennen werden? Und welche Haltung sollen die restlichen Staaten einnehmen? Ist es das gute Recht eines souveränen Staates, sein „Hexenproblem“ selber zu lösen?
Genau wie bei Anna Göldin steckt mehr hinter diesen furchtbaren Einzelschicksalen. Und kreative Machthaber finden durchaus andere Gründe als Hexerei, um Leute „legal“ zu töten.
Bildquelle: http://en.wikipedia.org/wiki/File:Jeddah_Light_at_evening.jpg