Leserbrief, die Gülle mal wieder

„Gülle, Gülle!“ Nein, das ist nicht Türkisch. Das ist Schweizerisch-Deutsch für Jauche und ein grosses Ärgernis, wenn man den Leserbriefspalten vertrauen darf.

Die Böden waren lange gefroren. Die Jauchegruben (ob das was mit dem Jauch Günther zu tun hat, entzieht sich meiner Kenntnis) schwappten schon fast in die Wohnstuben der Landwirte. Pünktlich mit der erstarkten Märzsonne bringen diese nun das flüchtige Methan-Gemisch aus und befinden sich damit auf Kollisionskurs mit praktisch allen anderen: den Hobby-Grilleuren, den Joggern, den Velofahrerinnen, den Nordic-Walkerinnen, den Hundehaltern, den Waschfrauen, den Waschmännern, den Wanderern und so weiter und so fort. Doch, und das ist wichtig, Kritik am Jauche ausbringen, das in der Schweiz „güllnen“ heisst, ist problematisch. Denn selbiges (das Güllnen) ist von Gemeinde zu Gemeinde, von Kanton zu Kanton, von Schweiz zu Schweiz verschieden reglementiert, währenddessen das Kritisieren ein Menschenrecht ist.

Wer Jauche ausbringen kritisiert, kritisiert den Bauernstand. Und dann muss man sich nicht wundern, wenn dieser schwupps-di-wupps eine eigene Partei gründet und uns überall Knüppel in den Weg wirft. (Böse Zunge behaupten, die gibt es schon. Doch das ist nur ein Gerücht.) Wer auch immer „uns“ ist, ich will nicht dazugehören und kritisiere erst mal gar nichts am Güllnen im Speziellen und am Bauernstand im Allgemeinen. Dass wir uns (und damit meine ich Sie, liebe Leserinnen und Leser) da recht verstehen.

Nichtsdestotrotz hat sich rund um das Thema Güllnen in unserem Regionalblatt ein Leserbrief-Schlagabtausch ergeben. Freizeitman A wirft den ersten Stein und mäkelt an den Gülle-Immissionen herum, die sich angeblich aufs Wochenende konzentrieren.

Berufsbauer B schiesst zurück und verteidigt seinen Berufsstand, nicht, ohne A darauf hinzuweisen, dass er ja gleich in der teuersten Stadt der Welt wohnen könnte, wo er dann sicher keine Gülle, also Jauche, riechen müsste, sondern ganz andere (furchtbare) Sachen.

Und dann schreibt Berufsbauer B diesen Satz, der nun wiederum die Tierschützer auf den Plan rufen wird. So sicher wie das Amen in der Kirche wird das eine Leserbriefspaltenschlacht ungeahnten Ausmasses annehmen.

Bauer B schreibt, ich zitiere: „ … Und wenn wir schon beim Thema sind. Was viele Leute mit oder ohne Hund auf die Wiese werfen ist eine Katastrophe. …“

Das, lieber Bauer B, finde ich, ist tatsächlich eine Katastrophe und ich bin froh, das endlich jemand den Mut aufbringt, auch das Tabuthema Hundemissbrauch anzusprechen.

Stellen Sie sich ein Chihuahua Hündchen vor, das zusammen mit dem Unrat auf die Wiese geworfen wird! Ich persönlich finde, das geht ja noch. Da besagtes Hündchen ja kaum etwas wiegt und bestimmt nicht so hart aufschlägt wie zum Beispiel ein Berner Sennenhund. Gerade bei den schwereren Hunderassen, deren Knochen ja auch nicht mehr so stabil sind wie früher (man kennt das ja!) wird ein Wurf auf die Wiese früher oder später Schäden anrichten. Beim Hund! Aus Sicht des Bauern kann das natürlich anders ausschauen. Doch auch dafür gibt es natürlich irgendein Bundesamt, das für Kollateralschäden aufkommt.

Ich selber frage nun diesen Staat über meinen Blog: „Wo bleibst du, Staat, wenn solche Tierquälereien geschehen?“

An dieser Stelle muss ich allen „Ausländern“ erklären, dass wir Schweizer unserem Staat Du sagen dürfen. Ja, genau. Wir sind mit ihm per Du, ohne mit ihm auf Du und Du zu sein. Das ist die Schweizerische Lebensart, auf die wir alle so stolz sind.

Also, lieber Staat, mach mal! Diese Hundewerferei muss ein Ende nehmen! Und es muss dann wieder jemand kommen und die Überreste „zusammenlesen“, wie besagter Bauer B in seinem Leserbrief schreibt.

Liebe (Zusammen-)Leserin, lieber Leser, dies ist kein jugendfreier Blog. Die Vorstellung versprengter Hunde-Körperteile macht mich fertig. Was ist das nur für eine Gesellschaft?

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.