Gibt es Gott?

Creación de Adám

Vorwort

Ich möchte mit diesem Blogbeitrag niemandes Gefühle verletzen. Wer im Zusammenhang mit den Themen Glauben und Religion starke Emotionen entwickelt, sollte diesen Artikel nicht lesen. Meine Aussagen sind weder herabwürdigend noch als Provokation gemeint. Sie beschreiben meinen ernsthaften Weg, eine Antwort auf die Frage zu finden, die mich für eine Romanidee beschäftigt:

Lässt sich beweisen, dass es Gott gibt?

Es gibt Religionen, wie zum Beispiel jene, die das Fliegende Spaghettimonster verehren. Sie leben davon, dass man augenscheinlich nicht beweisen kann, dass eben dieses Fliegende Spaghettimonster nicht existiert. Doch das lässt sich auch auf die grossen Weltreligionen übertragen. Gesucht ist also der Gegenbeweis.

Lässt sich beweisen, dass es Gott nicht gibt?

Die Frage, „Glaubst du an Gott?“, kann mit „Ja“, „Nein“ oder „Ich weiss nicht“ beantwortet werden. Vergessen wir mal letzteres. Es entsteht der Eindruck, dass beide anderen Antworten etwas mit Glauben zu tun haben. Doch wer käme auf die Idee, Christen, Muslime, Juden, Hindus, Buddhisten und alle anderen Religionsanhänger als Nicht-Nichtgläubige zu bezeichnen?

Nicht an Gott zu glauben, ist keine Glaubensausrichtung. 1990 gaben 0.2 % der Weltbevölkerung an, nicht an Gott zu glauben. Im Jahr 2010 waren es 11.5 %. (Quelle: statista).

Gott ist eine übernatürliche Macht / Existenz

Mit Gott oder übernatürlichen Mächten erklären sich die Menschen Ereignisse, die sie nicht verstehen. Deswegen stellen sie sich in letzter Konsequenz einen handelnden Gott vor, der je nach Glaubensausrichtung zu einem bestimmten Zeitpunkt in das Schicksal einzelner Menschen, Lebensformen oder gar den Lauf der Geschichte eingreift, mehr oder weniger aktiv ist und in irgendeiner Form an der Schöpfung der Erde und ihrer Lebewesen beteiligt ist, nicht nur im Diesseits sondern auch im Jenseits. Eine handelnde Gottheit also.

Einen konsequent nicht-handelnden Gott können wir getrost vernachlässigen. Das wäre ein Beobachter. Deswegen führt uns die Frage nach der Existenz Gottes zwangsläufig an den Beginn des Universums. Hat Gott es erschaffen?

Selbstverständlich wollen viele Leute nicht so weit in der Zeit zurückreisen, um sich ihre Welt mit Gott zu erklären. Es gibt Menschen, die beten, bevor sie einen Lottoschein ausfüllen. Doch ich will ernsthaft bleiben. Hier ein paar Beispiele von Fragen, die an Gott gerichtet sein könnten:

Persönliche Fragen, die man mit Gott zu erklären versucht

Warum musste dieser Mensch sterben?

Warum habe ich Krebs?

Warum muss ich sterben?

Warum bin ich geboren worden?

Wo habe ich meine Schlüssel verlegt?

Wieso liebt mich meine Frau nicht mehr?

Wer bringt mir mein Kind gesund von der weiten Reise zurück?

Wie soll ich meine Miete bezahlen?

Werde ich befördert?

Was mir wohl das Christkind bringt?

„Grosse“ Fragen, die man mit Gott zu erklären versucht

Wie ist die Erde entstanden?

Warum gibt es Gut und Böse?

Was ist Gut und Böse?

Was geschieht mit uns, wenn wir tot sind?

Woher kommen wir überhaupt?

Wo geht nachts die Sonne hin?

Wieso bebt die Erde?

Was verursacht eine Mondfinsternis?

Wieso hat dieser Tornado unsere Stadt zerstört?

Wer oder was hat das Universum erschaffen?

Ist das Universum endlich?

Wieso gibt es Mord und Totschlag, Krieg?

Was ist Liebe?

Wieso gibt es den Goldenen Schnitt?

Woher kommt die Musik?

Was macht einen guten Menschen aus?

Was ist die ultimative Frage nach dem Sinn des Lebens, des Universums und allem? (Die Antwort ist bekanntlich „42“, doch Douglas Adams ist uns die Frage schuldig geblieben.)

Gott braucht es nicht (mehr).

Mit jeder neuen wissenschaftlichen Erklärung für (Natur-)Phänomene, mit jeder wissenschaftlichen Antwort auf die grossen Menschheitsfragen, braucht es Gott weniger. Er macht nicht die Erdbeben und auch nicht die Stürme, er lässt keine Flugzeuge abstürzen und verursacht auch nicht die Sonnenfinsternis. Er zeugt keine Kinder und er nimmt nicht das Leben. Es ist nicht Gott, der es Morgen werden lässt und die Erde in Bewegung hält, genauso wenig, wie Gott den Ball ins Tor lenkt oder Staaten gründet. Also hat er wenigstens die Naturgesetze geschaffen, die hinter all dem stehen?

Blasphemie

Weil gläubige Menschen Angst vor möglichen negativen Konsequenzen haben, die eine Verneinung Gottes nach sich zieht, definieren sie, was Häresie ist und wie Gotteslästerer zu bestrafen sind, um den Zorn Gottes zu besänftigen. Jede wissenschaftliche Erkenntnis, die einen Gottesbeweis widerlegt, ist für Gläubige und vor allem Glaubensführer so lange ein Problem, bis sie sich ein neues, angepasstes Gottesbild zurechtgelegt haben oder ein Unterdrückungssystem die naturwissenschaftliche Erkenntnis verbietet. (1992 hat die Katholische Kirche Galileo Galilei formal rehabilitiert. Sie hat über 350 Jahre gebraucht, um sich zu besinnen. In Saudi-Arabien dürfen Frauen keine Autos lenken, weil das ihren Eierstöcken schadet.)

Jede Antwort führt zu weiteren Fragen.

(Das weiss jeder, der schon mit Vierjährigen gesprochen hat.)

Woher kommt der Fluss? Vom Regen.

Woher kommt der Regen? Vom Verdunsten.

Woher kommt das Verdunsten? Von der Wärme der Sonne.

Woher kommt die Wärme der Sonne? Von der Kernfusion von Wasserstoff zu Helium.

Wieso entsteht dabei Wärmeenergie? E=mc²

Also ist Materie so etwas wie Energie? Ja.

Woher aber kommt diese Energie oder die Materie? Vom Urknall.

Die letzte Antwort zu jeder Frage-Antwort-Kette heisst immer: Urknall.

Doch das wird nicht nur Vierjährige nicht zufriedenstellend. Die nächsten Fragen heissen logischerweise:

Was war vor dem Urknall? Und wer oder was hat den Urknall ausgelöst?

Ist die Antwort nun endlich Gott?

Vor dem Urknall gab es etwas Grundlegendes nicht. Die Zeit. Ursache und Wirkung sind aber an einen zeitlichen Ablauf gebunden. Blitz → Donner. Nicht umgekehrt. Also Initialzündung → Urknall?

Beim Urknall wurde die Zeit erst geschaffen, zusammen mit dem Raum und der Materie (positive und negative, mit der Summe = 0). Wenn es keine Zeit gab, gab es auch keine wie auch immer geartete Macht oder Existenz, auch keine Initialzündung, die den Urknall auslöste. Die Bezeichnung vor dem Urknall ist nicht zulässig, weil sie voraussetzt, dass es die Zeit gegeben hat. Nichts und niemand hat ihn ausgelöst. Er ist spontan und vollkommen zufällig entstanden und hat dabei die Zeit erst geschaffen.

Es ist schwierig, sich vorzustellen, dass es vor dem Urknall keine Zeit gab.

Es ist aber auch schwierig, sich vorzustellen, dass die Erde eine Kugel ist. Weil sie eine ist, hat sie keinen Anfang und kein Ende. Wäre sie eine Scheibe, wie im Mittelalter, würden über dem Himmelszelt die Himmelskörper im Wasser schwimmen, „… und Gott trennte die Wasser …“ (Und ich würde öffentlich verbrannt werden, was auf so schockierende Weise aktuell in anderen Teilen unserer Welt immer noch praktiziert wird.)

Einstein hat aufgezeigt, dass Zeit relativ ist. Sie ist keine Konstante wie das Licht, weil sie abhängig von Bewegung ist. Je schneller sich etwas bewegt, desto langsamer vergeht die Zeit. Und sie kann sogar stillstehen. Das ist für uns linear denkende Menschen schwierig zu verstehen.

Was war vor Gott?

Wäre „Gott“ die Antwort auf die Frage, „Was war vor dem Urknall?“, so stelle ich (und alle Vierjährigen, die einigermassen auf Zack sind) natürlich die Frage: Was war vor Gott?

Wer oder was hat Gott geschaffen, falls es ihn denn gibt? Ist Gott spontan aus dem Nichts entstanden, um dann den Urknall auszulösen? Wenn Gott spontan entsteht, um den Urknall auszulösen, wieso soll das nicht für den Urknall selber gelten? Das Ende aller Fragen liegt am Anfang der Zeit. Und vor dieser Zeit gibt es nichts.

Gott gibt es nicht.

Es spricht nichts dafür, dass es ihn oder sie gibt, aber alles dafür, dass es ihn oder sie nicht gibt. Alles, was seit dem Urknall geschehen ist, lässt sich ohne Gott erklären, auch der Urknall selbst. Gott ist als Erklärung überflüssig geworden.

Das gefällt natürlich vielen Leuten nicht.

Ich vermute mal 88.5 % der Weltbevölkerung. Doch Religionen gibt es in verschiedensten Ausrichtungen und längst nicht alle Gläubigen lehnen die Erkenntnisse der Naturwissenschaften ab. Viele akzeptieren heute das Darwinistische Weltbild und, in letzter Konsequenz, auch den Urknall, obwohl sie religiös sind.

Es gibt aber nach wie vor viele, die an einer Schöpfung des Menschen in der jetzigen Form festhalten. 42% der US-Amerikaner sind Kreationisten. (Quelle: Wissen bloggt) In den Südstaaten der USA scheint Kreationismus weiter verbreitet zu sein als im Norden. Genauso wie die Todesstrafe. Hier der Link zu einem Test für 4.-Klässler in „Science“.

Viele Staaten dieser Erde legitimieren ihre Verfassung und Gesellschaftsordnung, zum Teil sogar die Rechtsprechung, in verschiedener Ausprägung mit Gott. Die Präambel der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft beginnt: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen!“ Ich verzichte darauf, den Schweizerpsalm, unsere Hymne, zu zitieren. „Meine“ Schule wird nach „christlichen Grundsätzen geführt“, siehe Volksschulgesetz des Kantons St. Gallen.

Der Gottesstaat ist die Extremform einer durch Gott legitimierten Gesellschaftsordnung. Schockierende Beispiele gibt es leider genug.

Was bleibt?

Es bleibt die Frage nach der Zukunft, der Blick nach „vorne“. „Das Restaurant am Ende des Universums“, um es mit Douglas Adams‘ Roman zu sagen, befindet sich nicht am Ende des Raums, sondern am Ende der Zeit. Wird das Universum kollabieren und die Zeit (wieder) stehen bleiben? Wird das Universum ewig weiterbestehen? Diese Antworten kennen wir noch nicht.

Also muss mal wieder Gott herhalten?

Das weiss nur Gott allein. Kleiner Scherz! 😉

Vor unserem Leben gibt es nichts. Nach unserem Leben gibt es nichts. Die einzige Möglichkeit, die wir haben, ist, es als Menschenfreund zu geniessen, solange wir es haben und dafür zu sorgen, dass unsere Nachkommen es ebenfalls in Würde geniessen können. Am Ende allen Lebens, am Ende des Universums, wird es sein, als ob es das alles nie gegeben hat. Dann, aus purem Zufall, fängt alles wieder von vorne an. Oder auch nicht. Es ist unwesentlich. Am Ende ist alles eine Nullsumme.

Der Sinn des Lebens

Weil wir Menschen einen bestimmten Entwicklungsgrad erreicht haben, können wir uns die Fragen nach dem Sinn des Lebens stellen. Ich selber komme gerade zu einem für mich eher beunruhigenden Schluss: Es genügt sich selber, das Leben. Selbstzweck. Weil es spontan entstanden ist. Es lebt, bis es nicht mehr lebt, das Leben. Ohne Grund. Als wäre das Universum ein Pantoffeltierchen, eines unter Milliarden und Abermilliarden. Sehr beunruhigend.

Vieles deutet darauf hin, dass die Menschen früher oder später keine Rolle mehr spielen werden. Entweder rotten sie sich gegenseitig aus, zum Beispiel durch die Verbreitung eines Supervirus‘, oder aber die von ihnen erschaffene Technik kommt ohne deren Schöpfer, die Menschen, klar. Vielleicht evolvieren die Menschen zu einer noch höheren Lebensform, die den Anforderungen einer hochtechnisierten Gesellschaft gewachsen ist. Doch auch das ist letztlich alles unwichtig. Nach dem eigentlichen Ende (des Sonnensystems, der Galaxie, des Universums) wird es nichts mehr geben. Ein Nullsummenspiel.

Dennoch haben alle unsere Handlungen Auswirkungen. Sie sind deswegen bedeutungsvoll, weil sie unser eigenes sowie das Leben anderer direkt oder indirekt betreffen. Der Sinn unseres Lebens besteht darin, dieses Leben so zu gestalten, dass es den eigenen Ansprüchen genügt, authentisch ist, ohne jenes von anderen einzuschränken.

Was ich beschreibe, ist ein Leben in Freiheit. Die Freiheit des Geistes ohne die Freiheit anderer einzuschränken. Was ich beschreibe, ist der Himmel auf Erden, in dem auch Verstorbene in unserer Erinnerung weiterbestehen und nachwirken. Leider ist er endlich, dieser Himmel.

 

 

[Meine Gedanken und Erkenntnisse stützen sich im Wesentlichen auf die Ausführungen von Stephen Hawking in und zu seinem Buch „The Grand Design“ sowie weiterer namhafter Wissenschaftler, die unser modernes Weltbild geprägt haben: Einstein, Maxwell, Darwin, Newton, Galilei, Brahe, Kopernikus, Ptolemäus, um nur ein paar zu nennen.]

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.