Freie Marktwirtschaft

Güggeli-Mobil Tuggen

 

Neulich an der Landstrasse

Der „Güggeli-Wagen“ lauert immer samstags neben der Autogarage auf Kunden. Strategisch ist der Ort perfekt gewählt, der Preis für ein „Güggeli“, 16 Franken, im De-Luxe-Bereich. Keine Euro-Rabatte! Und das ist gut so. Haben es doch die „Güggeli“ in unserm Land so unsagbar viel besser als in der Eurozone.

Als ich weiterfahre, beginne ich zu rechnen. Agatha Musterfrau, die Besitzerin des Einfraubetriebs, verkauft locker 100 Hähnchen. Macht 1600 Franken Umsatz in schlappen drei Stunden. Will ich auch!, sage ich mir.

Freie Marktwirtschaft. Mal sehen!

Es gibt noch mehr Autogaragen an besagter Strecke. Schliesslich haben auch die gewusst, wo Autofahrer einen Stopp einlegen und wo nicht. Ich stelle gleich drei „Güggeli-Wagen“ an die „Güggeli-Meile“. Jeder der Wagen macht samstags einen Umsatz von vierhundert Franken.

Die Nachahmer

Leider errege ich mit meiner expansiven Geschäftspolitik Aufmerksamkeit. Nachahmer kommen auf den Plan. Einen Monat später ist die „Güggeli-Meile“ 10 Kilometer lang und bietet von „Ghackets mit Hörnli“ über „Mau-Mau“ und „Wau-Wau“ bis hin zu „Döner mit alles mit ohne scharf“ an, was das Herz begehrt.

Etwas später an der „Güggeli-Meile“

Längst rentieren nicht alle „Fress-Stände“, obwohl alle länger arbeiten. Ab 15 Uhr nerven die Schnäppchenjäger, die ein warmgestelltes „Güggeli“ skrupellos auf unter 8 Franken herunterhandeln.

Mal sehen, wer den längeren Atem hat.

Drei Samstagnachmittage später gehört die „Güggeli-Meile“ zur Hälfte Gusti Mustermann. Die andere Hälfte gehört mir. Wir sind die letzten „scharfen Hunde“ an der „Güggeli-Meile“, aus der ich nun eine „Güggeli-Zaile“ machen will.

Monopoly

Weitere fünf Wochen später, gerade richtig zum Vorweihnachts-Nachostergeschäft, bin ich endlich am Ziel und alleiniger Besitzer einer lückenlosen Verpflegungskette von Flums bis Unterterzen.

Was es nun braucht, ist ein guter Sozialplan, moralisch und politisch abgestützt. Schliesslich gehen Arbeitsplätze verloren. Aber es sollen auch Arbeitsplätze erhalten werden. Man muss Opfer bringen, in der und für die Privatwirtschaft, aber sie sollen nicht zu hoch sein.

Umstrukturieren

Schrittweise reorganisiere ich das Chaos, das meine Mitstreiter angerichtet haben, und konzentriere mich aufs Kerngeschäft. Ein Jahr später haben Dank des Sozialplans viele eine neue Stelle gefunden. Das RAV macht einen Superjob und arbeitet eng mit den Sozialämtern der Anliegergemeinden zusammen. Den Wagenpark haben wir in den Export gegeben. Leider ist der Euroschock im dümmsten Moment erfolgt (Das Wort Erfolg bekommt hier eine vollkommen neue Dimension!). Was kann ich dafür, dass man nun sogar den Libanesen Eurorabatte von bis zu 20% geben muss?

Tribut zollen

Als letzten Tribut an die Freie Marktwirtschaft stosse ich meine allerersten Wagen ab. Für mich ist das ein emotionaler Moment. Ja, auch Wirtschaftsführer haben Emotionen, und in meinem Fall kommt sogar Nostalgie auf, als ich Agatha Musterfrau anfrage, ob sie nicht wieder ihren alten Platz haben möchte.

Wie weiter?

Tja, bleibe nur noch ich übrig. Was macht Tom Zai, nun da er seinen Betrieb erfolgreich umstrukturiert hat? Tom, soviel kann und darf ich verraten, Tom geht in die Politik. Verschiedene Wirtschaftsparteien von Mitte-Grün über Blau bis Hell-Schwarz haben ihn angefragt. Doch ich bin noch unschlüssig. Schliesslich bin ich nun Spezialist für Freie Marktwirtschaft. Vermutlich gründe ich auf die Wahlen im Herbst hin meine eigene Wirtschaftspartei.

 

 

By Fotikon (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons
Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.