Frauen Tragen

Die spinnen, die Finnen – könnte ich titeln, nachdem ich zufällig eine der skurrilsten Sportarten der Welt entdeckt habe:

Frauen Tragen

Vermutlich mögen es viele Frauen, wenn sie auf Händen getragen werden, über die Schwelle (nur einmal im Leben!) und ziemlich sicher symbolisch auf die empathisch-sympathische Art. Ob sie’s auch kopfüber mögen, sich von hinten mit den Schenkeln ans schwitzende Genick eines Mannes klammernd, Gesicht auf Furz-Höhe baumelnd, über eine Sandpiste gezerrt, durchs Wasserbecken geschleift und über Barrikaden gewuchtet? Vermutlich eine Frage der Vorlieben oder, in diesem Fall, der sportlichen Ambitionen.
Malmstrom wife carry

Die Estnische Technik (nicht zu verwechseln mit der Ethischen Technik!) soll beim Frauen Tragen am vielversprechendsten sein, wenn Mann die Frau möglichst schnell durch einen Parcour schleppt, der zumindest ein Wasserbecken aufweist. Details siehe oben oder zum Beispiel in einem Filmchen, weitere Videoportale, online Medien oder Wikipedia!

Die Teilnehmenden

Die Frau darf nicht jünger als 17 sein, muss über 49 Kilogramm wiegen und je nach Veranstaltung mit dem Träger verheiratet sein. Womit die Schweiz natürlich das Nachsehen hat. Das durchschnittliche Heiratsalter von Frauen liegt um die 30. Die Scheidungsrate (von Männern und Frauen) tendiert zu 50%. Als Folge davon ist unser Land an Frauen Tragen Meisterschaften vor allem durch junge, frisch-vermählte Evangelikale mit einem Hang zum Kreationismus und vorehelichen Keuschheitsgelübden vertreten – also vermutlich einer angehenden Primarlehrerin und einem technikbegeisterteten Versicherungsdisponenten mit Jogging-Vergangenheit – oder alternativ von Jung-CVP-Fundis, die Ehe als Verbindung von Mann und Frau in der Verfassung verankern wollen, damit auch Steuerbegünstigungen für reiche christliche Hetero-Paare möglich sind.

Historischer Background

Die ursprünglich finnische Sportart – Frauen Tragen, soll auf den Brauch zurückgehen, weibliche, fortpflanzungsfähige Exemplare der menschlichen Gattung aus Nachbardörfern zu rauben – ist mit Sicherheit unethisch, jedoch nicht unestnisch.

Heute schützen sich die Frauen an Meisterschaften oft mit einem Velohelm, was, wie ich vermute, sogar auf urzeitliche Reflexe zurückzuführen ist. Ich denke an die Knüppel-Narkose aus der Steinzeit. Was hätten Frauen damals für einen Velohelm gegeben? Da gehen sie eben mal kurz vor die Höhle – um ein paar Champignons oder Shiitake zu pflücken, Wurzeln und Beeren zu sammeln, am nächsten heissen Lederdress zu arbeiten oder auch nur etwas Feuerholz zu klauben -, und ZACK! werden sie niedergeknüppelt, an den Haaren gepackt und in eine fremde Höhle geschleppt.

Gibt es eigentlich auch Frauen-An-Den-Haaren-Abschlepp-Meisterschaften? Eine kurze Recherche ergibt keine schlüssige Antwort. In der „Freien Wildbahn“ allerdings braucht der moderne Mann eh nicht mehr die Holzkeule. Dafür gibt es Alkohol, KO-Tropfen und/oder Sportwagen.

Moralische Bedenken

Jetzt aber mal Spass beiseite! Ich mache mir rund um diese Frauen Tragen Meisterschaften vor allem um eines Sorgen: die Gesundheit der Frauen. Schwerer als 49 Kilogramm! Wenn ich das mal durch einen BMI-Rechner schicke, muss ich festhalten: ein Minimalgewicht von 49 Kilogramm kann nur für Frauen gesund sein, die kleiner als 165 cm sind. Topmodel-heidi-mässige 175+ Frauen müssten eigentlich 60 Kilogramm und mehr wiegen. Was das Reglement aber nicht vorschreibt. Ausserdem dürfen sogar unter 49-Kilo-Frauen teilnehmen, werden aber mit Gewichten künstlich schwerer gemacht. Das wirft Fragen auf:

Fördert der Frauen Tragen Sport Untergewicht oder kann er gar Magersucht auslösen?

oder

Sollten sportlich ambitionierte Männer zierliche Frauen heiraten?

und

Warum jagt mir Heidis Lächeln, das ich nun vor meinem geistigen Auge sehe, eine solche Scheiss-Angst ein?

Grösse und Gewicht

Vielleicht gibt es geheime Studien. Das optimale Verhältnis von Grösse und Gewicht ist bestimmt längst erforscht. Hinter vorgehaltener Hand wird gemunkelt, dass nicht selten junge, muskulöse Männer am Catwalk-Set von GNTM herumlungern und eben ausgeschiedene, flennende Kandidatinnen trösten, aber eigentlich zu einer Karriere als Getragene überreden wollen.

Bisher ist jedoch kein Fall einer Konvertierten bekannt, die vom Catwalk zum Frauen Tragen gewechselt hat. Die künstlerische Legitimation zur Entwürdigung der Frau geht dem Sportanlass vollkommen ab. Wer’s nicht glaubt, siehe zum Beispiel die Bubble Runaway Challenge von Australiens Model-Casting-Show (auf YouTube).

Der Preis

Das ideale Gewicht spielt bei einigen Veranstaltungen auch für den Preis eine Rolle: das Gewicht der Frau in Bier. Also je schwerer die Frau, desto mehr Bier. Eine gemeine Zwickmühle, die sämtliche niederen Triebe des Mannes gegeneinander ausspielt.

Der Frauen Tragen Sport fordert auch ausserhalb der Wettkampfveranstaltungen gerade wegen des Preises seinen Preis (Das ist mal eine Pointe!). Nicht wenige Männer trainieren nämlich lieber das Frauen-Gewicht-Saufen, was sie körperlich so weit weg von einem Sieg beim Laufen bringt, dass sie aus Kummer immer weiter trinken. Ihre Frauen wollen dann auch nicht mehr auf dem Idealgewicht bleiben und nehmen zu. Ein unheilvoller Kreislauf!

Die wahre Bedeutung des Frauen Tragens

Die Symbolik des Hindernislaufes für (Ehe-)Pärchen macht nur auf den ersten Blick einen sinnigen Eindruck. Gemeinsam durchs Leben zu gehen ist ein Wechselbad und so manches Hindernis muss gemeinsam überwunden werden, blabla und so weiter.

Dabei wird der Frau die Funktion einer Klette zugedacht, die ihrem Mann von schräg hinten-unten Beine macht, während er mit eingeschaltetem Tunnelblick, sich bis zur Erschöpfung verausgabend, sie genau da hinbringt, wo sie sein möchte: Nämlich endlich auf eigenen Füssen stehen. Gibt mir zu denken. Sie kennen den Spruch? „Hinter jedem erfolgreichen Mann, blabla und so weiter …“ Jagt einem Angst ein, nicht?

Das Verwerflichste an diesem Anlass ist die Botschaft: Frauen sind vor allem eine Last. Mindestens 49 Kilogramm schwer. Meist schwerer. Das ist entwürdigend.

Wie schütze ich meine Tochter?

Es verwundert also nicht, wenn aufgeschlossene, finnische Eltern, ihren aus dem Schutzalter herauswachsenden Töchtern beim Verlassen der elterlichen Höhle zum Abschied sorgenvoll nachrufen: „Häfti järi törä helmät därbi?“ Was soviel heisst wie: „Kluge Köpfe schützen sich!“ (siehe bfu.ch)

Ich selber bin ja Pragmatiker, wenngleich kein Finne. Deswegen, beziehungsweise nichtsdestotrotz schenke ich meiner Tochter zum 17. Geburtstag einen Schnorchel.

Und einen Pfefferspray.

Den Velohelm hat sie schon. Trägt ihn aber aus Protest und aus Gründen der Uncoolness nicht.

Es ist nicht leicht, Vater einer Tochter zu sein.

Seufz!

 

 

Bildcredits: By U.S. Air Force photo/Cortney Paxton [Public domain], via Wikimedia Commons

 

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.