Wie geht das schon wieder? Ein starker Mann ersetzt die Axt im Haus? Wenn der Mann mit der Axt zweimal klingelt, ist es nicht der Postmann? Eine Axt kommt selten allein?
So kann es nicht ganz richtig sein. Aber ich bin nahe dran. Und eigentlich geht es auch nicht um Äxte sondern um starke Männer. Die nun überflüssig sind. Wie ich beim Frühstück feststellen muss. Neue Männer braucht das Land (Ina Deter). Von wegen. Es braucht sie überhaupt nicht mehr. Die Männer.
Nein, meine Frau hat mich nicht rausgeschmissen. Aber sie braucht mich nicht mehr. Das heisst, es ist eigentlich die Migros oder die Bischofszell Nahrungsmittel AG, die mich im wahrsten Sinne des Wortes ausgehebelt haben. Seit überall die Verwaltungsräte wegen der Frauenquoten verweiblicht sind, verfeminisert sich ja auch der Alltag. Schleichend. Aber gezielt. Da ist eine eigentliche Verschwörung in Gange. Die meisten haben das nur noch nicht gecheckt. Dabei braucht man nur die Augen offen zu halten. Am besten schon am Frühstückstisch. Auch wenn das nicht immer leicht fällt.
Da steht dieses frische, ergo ungeöffnete, Glas Konfitüre mit besonders hohem Fruchtanteil und ich freue mich schon auf zweierlei Dinge: Erstens ist nach der Quittenschwemme der letzten Wochen ein wenig Aprikose genau das, was ich brauche. Zweitens sehe ich vor meinem geistigen Auge schon meine Frau, wie sie sich mit hochrotem Kopf vergeblich abmüht, das frische Glas zu öffnen.
Was gibt es Schöneres im Leben eines (Ehe-)Mannes, als schon beim Frühstückstisch seine Überlegenheit zu demonstrieren. Geduld braucht es. Um die Sache wirklich auszukosten, muss Mann sich zurückhalten können. Erst wenn Frau auch unter Einsatz von schwerem Werkzeug den Deckel beim Konfiglas nicht abbekommen hat, im Idealfall Frau Tochter oder Herr Sohnemann auch noch erfolglos mit dem Messer den Luft-Reinlass-Trick versucht haben, dann kommt das Familienoberhaupt zum Einsatz.
Wichtig ist, dass Mann sich die Anstrengung nicht anmerken lässt. Es braucht einen möglichst gelassen Gesichtsausdruck. So, als ob es das Normalste der Welt wäre, einen selbst im Schraubstock nicht zu öffnenden Deckel schon vor dem ersten Frühstückbrötchen locker aufzudrehen. Es ist Magie. Immer wenn meine Hände Grip an Glas und Deckel bekommen, spüre ich praktisch jedes Atom. Ich werde Eins mit dem Universum und stelle eine Verbindung zwischen dem Weltraum und dem Vakuum im Konfiglas her. Dann setze ich den mentalen Hebel an. Das Vertrauen in meine Fähigkeit, jedes Glas aufzubekommen, ist grenzenlos. Die Drehbewegung muss fliessend sein und so schnell, dass die Knöchel gerade noch ihre Farbe behalten. Wenn der Deckel schliesslich mit einem Schmatzen abgeht, ist die Befriedigung total. Doch ich lasse sie mir nicht anmerken. Ich schiele nur ein wenig aus den Augenwinkeln über den Tisch. Ungläubiges Staunen mache ich aus. Und ein wenig Zerknirschtheit. Was für ein Gefühl!
Seit heute Morgen ist alles anders. Da nimmt meine Frau dieses Konfitüreglas. Tut dann so, als wolle sie es mir schon reichen und sich die Schmach gleich von Anfang an ersparen. Dann besinnt sie sich scheinbar. „Die sieht es nie ein!“, denke ich für mich. Doch sie fasst den Deckel nicht mal richtig an, legt nur drei Fingerspitzen an den Rand, und „schmatz“ ist der Deckel ab. „Du zuerst?“, fragt sie scheinheilig. Doch mir ist der Appetit vergangen.
„Leicht zu öffnen“ steht auf dem Rand des Deckels. „Leicht zu öffnen“, meine Fresse, das kann man wohl sagen. Da hat wohl eine alleinerziehende Verwaltungsrätin ganze Arbeit geleistet. Ich sehe die ganze Kette vor mir: Die Abteilungsleiterin, die Technikerin, die Testerin, die Marketingfrau, die Kundin.“
Ausgebootet.
Nur Gurkengläser scheinen von den Emanzen verschont geblieben zu sein. Wundert mich nicht. Wenn man bedenkt, wann Essiggurken im Leben einer Frau Hochkonjunktur haben. Genau. Da darf der Mann noch Mann sein. Bestimmt finden die auch dafür noch eine technische Lösung. Na ja, ich bin ohnehin schon übers Ablaufdatum drüber. Und mir ist nun eh alles egal.
Ach, ja, jetzt fällt mir ein, wie der Spruch vom Anfang geht: Der starke Mann wird ersetzt im Haus.
Das ist das Ende des Abendlandes. Scheiss Konfitüre! Gute Nacht! Ich geh wieder schlafen.