Cliffhanger

 Für heute werde ich mal politisch – ohne Schnörkel, ohne Satire, ohne Freude.

 

„Die Fiskalklippe ist umschifft worden“. So oder ähnlich lauten die Schlagzeilen weltweit und sie betreffen allesamt das Schuldenproblem der USA. Andere sprechen von „über die Klippe fallen“, doch das ist wohl nur Sprachkosmetik.

 

Tatsache ist, die Börsen feiern und legen kräftig zu. Tatsache ist, die Schulden wachsen weiter wie bisher. Aber das scheint nun nicht mehr zu beunruhigen. Auf usdebtclock kann live mitverfolgt werden, wie die Verschuldung anwächst. Aktuell stehen sie zwischen 16 und 17 Billionen Dollar, das sind pro Staatsbürger über 50’000 $. Die Staatsverschuldung der Schweiz betrug vor einem Jahr pro Kopf nicht ganz 26’000 Fr. Das ist etwas mehr als die Hälfte im Vergleich mit den USA. Kann man sich deswegen glücklich fühlen? Vielleicht ja – siehe Hoffnungsbarometer der Schweiz – womöglich nein.

 

Die Schuldenentwicklung der USA von Washington bis Obama zeigt deutlich, dass die Schulden exponentiell wachsen. Das trifft natürlich nicht nur auf Amerika zu. Exponentielle Entwicklungen werden von uns Menschen sehr schlecht beurteilt. Wir kommen gut mit linearen Vorgängen klar. Doch was in der Steinzeit noch ausreichte, scheint heute zu einer getrübten Sichtweise zu führen. Anschaulich erklärt dies Rolf Dobelli in der Sonntagszeigung. Siehe dazu auch den eindrücklichen Vergleich von Albert Bartlett (PDF) mit Bakterien in einer Flasche.

 

Wie Staatsverschuldung überhaupt funktioniert, erschliesst sich dem Bürger, der Bürgerin nicht so ohne weiteres. Ein Film von Explainity hilft, die Bildungslücke zu schliessen.

 

Wer immer noch nicht verstanden hat, wie der Markt funktioniert, wird seine Freude haben an Andreas Thiels Vergleich des Energiemarktes mit Tomaten.

 

Die Welt, oder zumindest die USA, fährt also auf eine Klippe zu (entweder auf der Klippe, dem Absturz entgegen oder im Wasser mit dem Superkreuzer auf die Küste zu) mit der Idee, das Steuer jederzeit herumreissen zu können, in der irren (irrigen) Annahme, dass es sich hierbei um ein kontrolliertes und vor allem lineares Manöver handelt nach dem Motto: Problem erkennen, Steuer herumreissen, ausweichen, weiterfahren. Nun, dass diese Rechnung etwas komplexer ist, wenn man mit einem grossen Gefährt oder Geschwimm (naja, logisch wär’s schon, oder?) auf ein Hindernis zusteuert, haben zahllose Beispiele schon gezeigt. Stellvertretend sollen hier (nur) die „Titanic“ und die „Costa Concordia“ erwähnt werden.

 

Und wie reagiert die Menschheit auf solche Desaster? Sie geht baden, wie man hier sehen kann.

 

Weil die Menschen exponentielle Vorgänge nur schlecht abschätzen können, verlegen sich die meisten auf zwei Dinge: ignorieren oder vereinfachen, zur Sicherheit auch mal beides gleichzeitig.

 

Wie reagieren Amerikaner zum Beispiel auf den letzten Amoklauf? Sie kaufen Waffen, wie man hier lesen kann: im Dezember 2012 nahmen die Zulassungschecks für Käufe von Schusswaffen um 49% zu.

 

Das Schiff fährt also volle Pulle weiter auf die Klippe zu. An Bord feiern bis zu den Zähnen bewaffnete Passagiere eine Party. Will man tatsächlich im Kielwasser dieses Superkreuzers mitfahren? Falls nein, kann man etwas dagegen tun?

 

Zurück zu den Bakterien (siehe oben). Wann werden die Bakterien merken, dass es langsam eng wird? Um 11.59Uhr, wenn die Flasche noch halb leer ist oder erst um 12.00, wenn sie tatsächlich voll ist? Nun, Bakterien können ihr Verhalten, sich zu verdoppeln, wohl eher nicht willentlich ändern. Vielleicht gibt es sogar Bakterien mit einem Selbstregulierungsmachnismus, aber das entzieht sich meiner Kenntnis.

Ganz sicher aber könnte man annehmen, dass menschliche Gehirne in der Lage sein sollten, die Probleme zu erkennen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Hoffen wir, dass die Annahme sich nicht als Täuschung erweisen wird.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Foto: Chris Potter, Creative Commons

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.