Das Kuchenbuffet im Sportunterricht

 

Teekuchen, Miltenberg, Germany

Die Leibliche Ertüchtigung

Vieles ist in der Schweiz von Kanton zu Kanton verschieden. Nicht so der Sportunterricht an Schulen. Der ist durch den Bund geregelt, dem Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS), die dreifache Speerspitze einer souveränen Eidgenossenschaft. Bis zur Lehrabschlussprüfung oder der Matura führt in der Schweiz kein Weg an den Turnhallen vorbei, was besonders die kleinen Kinder glücklich macht.

Zum Glück gezwungen

Kommen Kinder in die Pubertät, werden sie Jugendliche genannt und müssen zuweilen zu ihrem Glück gezwungen werden. Stecken Jugendliche in einer Lehre und besuchen die Berufsschule, heissen sie „Lernende“. (An der Kanti heissen sie sinngemäss „Studierende“. Na ja, unser Sportlehrer nannte uns damals „Prinzen“ oder „Ladies“, aber das ist eine andere Geschichte.) „Lernende“ ist besser als Lernerinnen und Lerner, wobei erstgenannte offenbar mit mehr Nachdruck zum Mitmachen im Sportunterricht motiviert werden müssen.

Klare Strukturen, klare Kommunikation

Die Berufsschulsportlehrenden (BSSL) machen gleich zu Anfang der Ausbildung klar, was Sache ist. Mit anderen Worten, sie stellen „klare Regeln“ auf und kommunizieren diese schriftlich und mündlich. Wer liebt sie nicht, die klaren Regeln? Die Ampel ist Rot, du bleibst stehen. Sie wechselt auf Grün, du fährst. Das erleichtert das Zusammenleben (-fahren) enorm. Wenn du nun bei Rot über die Kreuzung fährst, dann ist das ein „Verkehrsvergehen“ und kostet 250 Mäuse. Wenn Lernende im Sportunterricht gegen eine Regel verstossen, dann nennt man das ein „Versäumnis“. Was es kostet, siehe weitere unten!

Das sind Versäumnisse

Verspätetes Erscheinen, unvollständige Sportausrüstung, Kaugummi kauen und „Rauchen in der Suchtmittelfreien Zone“ (also zum Beispiel im Geräteraum auf der grossen Turnmatte) sind auf dem Infozettel aufgelistet. Bereits nach dem zweiten Versäumnis schlägt das Schicksal zu.

Die Konsequenzen

In der darauffolgenden Turnstunde „muss der Lernende … einen selbstgebackenen Kuchen für seine Klassenkameraden mitbringen“. (Also DER Lernende für DEN Kameraden! Aber ich will hier nicht noch mehr auf die ermüdende oder falsche Verwendung des Partizips eingehen. Wer Diskussionsstoff für gender-konforme Sprachregelung braucht: hier ein interessanter Artikel auf rhetorik.ch.)

Das Buffet

Der Penalty für Versäumnisse im Sportunterricht ist also eine Kalorienbombe. Womöglich werden ganze Kuchenbuffets aufgebaut. Bei 20 Vor-Feierabend-Zum-Sport-Zu-Motivierende können sich Versäumnisse schon mal massieren. Was gemäss Sportlehrendem (er ist ein Mann) offenbar auch für die Synchronisation des weiblichen Zyklus‘ zutrifft, da es beim halbjährlichen Besuch des Hallenbads jeweils zu „Massenmenstruationen“ komme. (Auch ein Regelverstoss?)

Bulimie im Sportunterricht?

In einem Punkt bleibt die „Information zum Sportunterricht“ einer Schweizer Berufsschule, die mir zufällig in die Finger geraten ist (die Info, nicht die Schule!), unklar. Dürfen die Lernenden erst nach Hause, wenn auch das letzte Bisschen Kuchen weggeputzt ist? Na, ja, wir haben uns früher im Sport auch schon mal bis zum Kotzen verausgabt.

 

Bildcredits: By Schnäggli (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.