Das Wort „Bon“ steht bekanntlich für etwas Gutes, wie es das Wort schon sagt. Vom Bon-Bon, über Bonität bis zum Bonus oder zu den Boni (was auch der Bonität förderlich ist), freuen sich die Leute, wenn man es oder ihn oder sie hat.
Für mich persönlich hat immer auch das Wort „Bon-Zai“ eine wichtige Rolle gespielt. Doch das ist, wie gesagt, persönlich, hat auch nichts mit dem Thema zu tun, und gehört deswegen einfach nicht hierher.
Nun kommt der schon fast in Vergessenheit geratene BON wieder in Mode und wie. Doch ob das allenthalben Freude und positive Gefühle verbreitet, bin ich mir seit meinem letzten Einkauf im Supermarkt nicht mehr so sicher. Folgende dramatische Ereignisse spielten sich ab:
Abends um 17.12 Uhr waren genau drei von acht Förderbändern, an deren Ende eine Scannerin hätte stehen, beziehungsweise sitzen sollen, besetzt, also operationsfähig. Es war ein heisser Tag und die Leute hatten schachtelweise Glacé – also Eis, wie die Deutschen sagen, obwohl das doch gar kein richtiges Eis ist, aber egal! – gekauft, deren Kühlkette genauso wenig unterbrochen werden sollte, wie jene des gehackten Rindfleischs neben den beiden Schachteln Raketen-Glacé in meinem Einkaufswagen.
(Ich schreibe übrigens absichtlich so lange Schachtelsätze um dem Wort „Schachtel“ noch mehr Gewicht zu verleihen, die Wartezeit vor der Kasse erlebbar zu machen und zu beweisen, dass ich‘s einfach draufhabe. Für etwas habe ich mal Latein studiert. Das schreibe ich zwar weder fliessend noch zähflüssig, geblieben ist die Fähigkeit, mich gestelzt, kompliziert und eben verschachtelt ausdrücken zu können.)
Mittlerweile war ich eine Wagenlänge weiter. Vor mir also nur noch zwei Leute, davor dieser Mann Ende Fünfzig, der einen einzigen Artikel aufs Band legte. Super!, dachte ich. Endlich habe ich mal die richtige Schlange erwischt.
Seine Tochter habe Geburtstag, teilte der Mann uns Wartenden sowie der Kassiererin mit, die das genauso wenig aus den Socken haute, wie uns, auf einen schnellen Zahlvorgang Spekulierende.
Ob es möglich sei, den Laptop ausschliesslich mit diesen Wertscheinen, die ihm seine Frau mitgegeben habe, er wisse jetzt gerade nicht, wie man denen korrekt sage, zu bezahlen. (Ich kann auch indirekt! Ha!)
„Die nennen wir Einkaufs-Bons“, klärte die Frau auf dem hydraulisch-gefederten Stuhl auf, und natürlich könne er damit den Laptop bezahlen, kein Problem, sofern er genügend Bons dabei habe. Das sei nicht das Problem, meinte daraufhin der stolze Vater eines verzogenen Görs. Wie sonst kann man sich erklären, dass schon eine Vierzehnjährige einen Laptop bekommt?
„Was ist denn das Problem?“, wollte die Kassiererin, offenbar eine Verehrerin der Heiligen Patience, wissen.
Meine Vorderfrau warf mir einen bedeutsamen Blick zu. Keinen von der Sorte: „Ich warte dann mal eben auf dich auf dem Parkplatz und nachher, du weisst schon …“
Das Problem sei, meinte diese Einkaufs-Spassbremse, dass er nun nicht wisse, ob die anderen Bons, die er noch habe, kumulierbar seinen oder nicht.
„Es kommt darauf an“, die lakonische Antwort der Inkasso-Expertin.
Er wohne im Kanton St.Gallen, die idiotische Bemerkung eines Irren. Seine Frau habe ihm allerdings extra diesen Bon für Zehnfach-Punkte mitgegeben und auch noch den Zwanzigprozent-Bon für Elektrogeräte.
Die Frau auf dem Stuhl bekam nun doch etwas Farbe ins Gesicht. Sie müsse nachschauen, meinte sie, immer noch professionell distanziert und dennoch freundlich. Schliesslich gab sie zu, dass sie mit der Komplexität der Frage leicht überfordert sei und rief ihre Vorgesetzte, die mit jeder Faser ihres voluptuösen Körpers mitteilte, dass man sie besser ihren Vanillegipfel (im Schweizerischen Volksmund auch Eiterguuge genannt – keine Ahnung, wie man so etwas vertilgen kann!) hätte fertig essen lassen sollen (Ich kann auch Konjunktiv im Plusquamperfekt mit drei Hilfsverben!).
Nach ein paar unverständlichen Befehlen zog sie wieder von dannen. Die Kassiererin lächelte nur noch gezwungen.
„Es ist nun so“, holte diese aus, „dass wir zuerst ihre Einkaufsbons in Abzug bringen müssen, bevor wir den Zehnfach-Bon und den andern, was war es doch gleich?“
„Ein Zwanzigprozent-Bon!“
„ … also den Zwanzigprozent-Bon verrechnen können.“
Aber er wolle den ganzen Betrag mit den Einkaufs-Bons bezahlen, das habe er ja schon ganz am Anfang, also sozusagen präventiv, zum Ausdruck gebracht.
„Dann bleibt ja nichts mehr übrig, um mit den anderen Bons zu punkten, beziehungsweise zu ermässigen“, stellte die gute Frau lapidar fest.
Ob das heisse, dass er besser fahre, respektive einkaufe, wenn er den Laptop für seine bald vierzehnjährige Tochter bar bezahle.
„Genau.“ Die Frau hinter der Kasse und alle anderen vor der Kasse witterten Morgenluft und atmeten hörbar auf. Nun würde es vorwärtsgehen.
Der Geburtstagskindsvater stopfte die wertvollen Einkaufs-Bons wieder in sein Portemonnaie, händigte die beiden anderen Bons aus und zückte seine EC-Karte. Die Kassiererin hatte zur Routine zurückgefunden und scannte zügig sowohl Laptop, Mitgliederkarte, Zehnfachpunkte-Bon als auch Zwanzigprozent-Bon ein, als sie aus dem Rhythmus geworfen wurde. Sie versuchte es ein zweites, ein drittes Mal mit dem Rabatt-Bon, verstand die Welt nicht mehr und rief schliesslich, schulterzuckend, ein weiteres Mal ihre Vorgesetzte, die mittlerweile längstens ihren Vanillegipfel verputzt haben musste. Die Krümel und der Puderzucker auf ihrem bordeaurot-orangen Hemd sprachen eine deutliche Sprache.
Ein abschätziger Blick auf den Zwanzigprozent-Bon reichte ihr. Im Weggehen schnaubte sie noch etwas Unverständliches, das nur die bestens konditionierte Angestellte verstehen konnte, und weg war sie.
„Tut mir leid“, flötete die Zurechtgewiesene in Richtung Kunde, „dieser Bon ist nur für die Haushaltabteilung der Elektrogeräte gültig, also für Staubsauger, Kaffeemaschinen, und so weiter, aber leider nicht für Unterhaltungselektronik und Computer. Da hat Ihnen Ihre Frau wohl den falschen Bon mitgegeben. Sie hat den anderen bestimmt noch zu Hause. Den gibt es nämlich, im Bon-Heft, das Ihre Frau sicher mit der Post bekommen hat. Vielleicht wollen Sie später nochmal kommen. Oder möchten Sie doch mit den Einkaufs-Bons bezahlen?“
„Das ist ja wohl das Allerletzte!“, stänkerte der Kerl und entblödete sich nicht, noch anzufügen, dass er schliesslich auch Anderes zu tun hätte, Schlaueres auf jeden Fall.
Sie könne auch nichts dafür, dass seine Frau, sie wolle ihm da nicht zu nahe treten, sich im Bon, den man auch als Gutschein bezeichnen könne, vergriffen habe.
Das sei ja wohl die Höhe, gab der Hirni zurück. Wie bescheuert das denn sei, für die selbe Abteilung zwei verschiedene Bons oder Gutscheine, oder wie auch immer die Dinger genannt würden, auszugeben.
Wir, die Resignierten, mussten dem Mann beipflichten. Innerlich. Die Stimmung schien zu Ungunsten der Frau mit dem bequemen Stuhl zu kippen.
Ganz der Profi (gibt es eigentlich die Profi?) lenkte sie den eventuell-geprellten Kunden ab, indem sie ihm ein anderes Geschäft schmackhaft machte.
„Haben Sie vielleicht den Bon für den Rabatt auf zwei Schachteln Glacé dabei. Sie würden glatte zehn Franken einsparen, was Sie etwas über den Ärger wegen Ihrer Frau hinwegtrösten würde.
Der Knilch, dieser Unmensch, dieser rechthaberische, von einer Bon-verwaltenden Matrone Unterdrückte, dieser miese Vater, der noch nicht mal wusste, wie man seiner verhätschelten Göre einen idiotischen Geburtstagswunsch versagte, dieser Einkaufstrottel holte schon Luft, um das Angebot der verzweifelten Scannerin auszuschlagen, als ich endlich eingriff.
Aus dem Handgelenk schmiss ich meine zwei Schachteln Raketen-Glacé über die beiden vor mir stehenden Einkaufswagen aufs Förderband und den original richtigen Bon gleich hinterher.
„Geschenkt!“, rief ich noch, bevor ich versuchte aus der Wagenkolonne auszuscheren, rückwärts auszuparken sozusagen.
Während der verdatterte Waschlappen schon sein Portemonnaie zückte, die entnervte Frau am Förderband die orange Sauce vom schwarzen Gummi wischte und sich fragte, ob sie wohl noch einmal das Krümelmonster rufen sollte, versuchte ich vergeblich mit meinem Einkaufswagen entgegen der Fahrtrichtung den Laden zu verlassen.
Schliesslich wurde ich vorübergehend festgenommen.
Ich kann Sie beruhigen. Es klärte sich alles auf und die Filialleitung entschuldigte sich für die Umstände, zeigte sich sogar grosszügig, also kulant.
Ich bekam einen unbeschränkt gültigen, bisher noch nie ausgestellten Dreissigfach-Punkte-Bon. Ein Segen auf den ersten Blick, der sich nach und nach als Fluch entpuppt.
Meine Frau macht mich seither madig, weil sie sich nie sicher ist, wann der absolut richtige Moment kommt, diesen einzigartigen Bon einzulösen.
Und dann steht ja auch die Fragte im Raum: Kann man den Bon mit anderen kumulieren?