Achtung, fertig, WK!

 

Heute habe ich mal wieder den Blick fürs Grosse – aber so was von! Denkt nicht, ich hätte es nicht gecheckt! Ich lasse mich nicht länger verscheissern, Leute, oder veräppeln, wie der oder die Deutsche sagt, oder verkohlen, verarschen, verlackmeiern und so weiter. Da läuft das ganz grosse Manipulations-Ding. Exklusiv berichte ich darüber als einer der letzten, wahren Whistleblower, auf die Gefahr hin, dass meine Seite vom Netz genommen wird. Da kenne ich nichts! Da gehe ich auf Tutti. Jetzt aber mal ehrlich. Echt, eh!

 

Diese Nacht haben die Uhren in Mitteleuropa – und vor allem in der Schweiz – umgestellt, von der Sommerzeit auf die – na? – Weihnachtszeit! Unbemerkt von den meisten ist nachts irgendwann zwischen zwei und drei Uhr der Holderknabe mit lockigem Haar umgegangen.

 

Ein Blick in die Zeitung, auf die Zeitung eigentlich, aber nicht den „Blick“, die mit dem Wochentag, dem Sonntag, aber nicht die Zeitung „Sonntag“, falls es die noch gibt, sondern die Zeitung für den Sonntag, also ein Blick darauf (ich lese gerade den vierten Band der Lehmann-Trilogie, das ist ansteckend und führt zu Bandwurmsätzen, denen nur schwer beizukommen ist) lässt uns Lesende staunend die Augen reiben:

 

Weihnachten ist da! Zumindest in der Schweiz ist es angekommen und wir feiern den Vorfreudetag. Wow! Was für ein Ding! Vorfreude ist bekanntlich noch fast besser als Schadenfreude. Yippie! Ich freue mich so gerne!

 

Synchron haben die Uhren schweizweit, ja was sage ich, weltweit umgestellt und dabei den ultimativen Besinnlichkeitsalarm ausgelöst. Zimtkonzentrat wird mit einem Schuss Vanille scharfgemacht und entfaltet bis hinaus auf die Strassen seine Wirkung, die nur noch in Kombination mit „Tschingel-Bells“ durchschlagender ist.

 

Die Zeitung (obschon es ja gar nicht die Zeitung ist, sondern ein Möbelhaus, wenigstens ein Schweizerisches, dem nun die Titelseite gehört und die eigentliche Sonntagszeitung zum Seitedrei-Girl macht) behauptet schelmisch (oder ist das eine Warnung?), dass wir heute Weihnachten schon 60 Tage im Voraus zelebrieren. 60 Tage! Das ist 17% des Jahres. Runden wir auf 20 auf, Leute! Der 20%-Jahres-Vorfreuderabatt!

 

Doch das ist nichts anderes als Augenwischerei! Ja, merkt denn niemand, dass wir heute eigentlich schon Weihnachten 2018 feiern? Wir sind weihnachtsvorfeiertechnisch der Zeit so was von voraus! Vorfreude ist eben tatsächlich die schönste Freude und je weiter weg das Ereignis, desto grösser und schöner und besser und einzigartiger und freudestiftender wirkt es. Halleluja! Und in letzter Konsequenz ist das nichts anderes als ein einziges, langes Vorfreuen auf ewiges Harfespielen und Frohlocken auf einer Zimt-Vanille-Wolke.

 

A propos Augenwischerei, wenn man den Blick wirklich gross macht (auch hier ist nicht die Zeitung gemeint!), stösst man auf doch ziemlich plump versteckte Botschaften:

Wie zufällig läuft doch dieser Film in den Kinos – „Achtung, fertig, WK!“. Vorgegaukelt wird, dass es sich dabei um eine Militärklamotte handelt, die noch vor Jahren politische Vorstösse provoziert hätte und bis hinauf zum Korpskommandanten für rote Köpfe. Dabei wird bewusst offengelassen, was „WK“ tatsächlich bedeutet.

 

Wer bis hierher durchgehalten hat, den Blick schon geschärft und dabei auf grösstmögliche Weite gestellt, sieht es selber. Obwohl es keine Rolle spielt, ob mans sieht oder nicht. Die Botschaft wirkt in jedem Fall. Entziehen kann man sich ihrer noch nicht mal im Entzug, wo die Spedition in diesem Moment die eben fertiggestellten und abgepackten Vor-freude-weihnachts-überraschungs-kauf-informations-broschüren auf Camions verlädt.

 

Achtung, fertig, WeihnachtsKäufe!

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.