Replay

 

Pan ist ein Thema. Pan, der immer geile Halbmensch mit der unteren Hälfte eines Ziegenbocks. Wie traurig war er und wie wütend als ihn Syrinx nicht haben wollte. Er verwandelte sie in Schilfrohr, nur um danach in seinem Schmerz über ihren Verlust eben das Schilfrohr in Stücke zu schneiden, zu einer Flöte band und eine traurige Weise darauf spielte. Damit war die Panföte erfunden; doch darum geht es nicht hauptsächlich in Benjamin Steins Buch „Replay“.

Pan spielt eine Rolle, sowie die Lust und die totale Hingabe zu den Nymphen. Doch das ist „nur“ ein Aspekt. Dahinter steht die spannende Frage „Welchen Preis sind wir bereit zu bezahlen für die totale Vernetzung mit der „Gemeinschaft“, der „Community“?

Die Antwort: Wir bezahlen keinen – zumindest keinen, den wir als solchen erkennen. Wir gewinnen doch nur, wir profitieren auf der ganzen Linie. Aber vergessen wir nicht „There ain’t no such thing as a free lunch“.

Benjamin Steins Vision lässt sämtliche Facebook-Fotoalben, alle Fotobücher, die gesamte Famliensammlung digitaler Filme zu einem vernachlässigbaren Nichts schrumpfen. Er skizziert eine Welt, in der Erinnerungen nicht nur zweidimensional gespeichert werden. Er beschreibt eine Welt der totalen Erinnerung, der totalen Vernetzung.

Natürlich erinnert das an „Total Recall“, den Film mit Arnold Schwarzenegger. Es erinnert auch an „1984“ (Benjamin Stein zitiert dieses Buch gelegentlich in seinem Roman). Seine Version erscheint mir allerdings subtiler als alle anderen dystopischen Zukunftsvisionen. Sein Buch erinnert an Kafka, an Hans Bemmanns „Stein und Flöte, und das ist noch nicht alles“ und viele mehr. Es ist ein märchenhaftes Buch, voller Poesie und Erotik über eine sehr wahrscheinliche Zukunft unter dem Diktat der „Social Media“.

Die Zeitkritik in „Replay“ wirkt umso glaubwürdiger, weil der Bezug zur digitalen Welt unserer Zeit hergestellt wird. Benjamin Stein veröffentlichte kürzlich auf seinem Blog „Turmsegler“ einen Bericht über das „Project Glass“ von Google. Sein Kommentar: „Das ging wirklich schnell …“

„Replay“ kann ich nur empfehlen. Ich möchte in meinem Blog keine Punkte oder Sterne verteilen. Ich schreibe hier ohnehin nur über Dinge, die mir wichtig sind. Ich möchte die Leser und Leserinnen meines Blogs ermuntern, sich selber eine Meinung zu bilden. Ausserdem werde ich wohl in naher Zukunft zu den „Anonymen“ gehören, die nicht dauernd mit der Mehrheit der immer und überall identifizierbaren Menge der „Implantierten“ in Kontakt steht. Insofern ist mir nicht zu trauen!

Dies beweist vor allem auch, dass ich im Cover bis zuletzt einen Laubfrosch erkannte. Ich muss gestehen, als Video-Quelle taugte ich nichts.

»Replay«, Roman
C.H.Beck 2012, 176 Seiten
ISBN: 3406630057
EAN: 9783406630057
 

 

Tom Zai Verfasst von:

Tom Zai ist Autor, Verleger, Lehrer, Moderator, Musiker und noch vieles mehr.